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Perfekter Groove auf Streicherrhythmen: Mundharmonikaspieler Konstantin Reinfeld und Pianist Benyamin Nuss mit dem Detmolder Kammerorchester unter Wolf Kerschek © Niklas Zeiner
Warum nur kommt einem beim Auftritt von Konstantin Reinfeld sogleich Papageno in den Sinn, obgleich der junge Mann dort vorn in der Hamburger JazzHall gerade ebenso galant wie schwungvoll durch Bachs g-moll-Sonate wirbelt? Muss wohl am kunterbunten Anzug des 26-Jährigen liegen (und den tänzerischen Sprüngen, zu denen der gebürtige Kempener bisweilen ansetzt): Musikalisch indes spielt Mozart an diesem Abend ebenso wenig eine Rolle wie die Panflöte seines berühmten Vogelfängers. Nein, Reinfeld zelebriert seine Blaskünste auf einem anderen, indes nicht weit weniger exotischen Instrument in der Klassikwelt: der Mundharmonika. Und sorgt, je weiter der Abend fortschreitet, für immer mehr Aufhorchen!
Denn war das Image des „Ohrenquälers“ (so der schon früh begleitende Spitzname des vor über 200 Jahren erfundenen Instruments) bislang vor allem durch den Blues und Jazz geprägt und nicht zuletzt durch die quälend langgezogenen Klagetöne Morricones aus dem Filmklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“, so erobert der junge Mann dem Westentaschenharmonium seit fünf Jahren nun auch die Welt der Klassik – und öffnet deren Zuhörern zugleich die Ohren für bislang eher unbekannte Saiten, pardon: Luftkanäle des Kanzellenkörpers. Gemeinsam mit seinem Pianisten Benyamin Nuss gehen Bearbeitungen von Bach oder auch Bartok da natürlich immer, doch mindestens ebenso reizt Reinfeld der große Orchesterklang, um das klangliche Universum der zehn Löcher auszuloten. Und da deren Werkkatalog doch sehr überschaubar ist – viel mehr als Villa-Lobos‘ und Arnolds Konzerte sowie Vaughan Williams‘ Romanze sind da nicht zu finden – braucht es eben eigene Kompositions-Initiativen.
So wie an diesem Abend mit dem Detmolder Kammerorchester unter dem Hamburger Jazzprofessor Wolf Kerschek, einem ebenso rastlosen wie fantasievollen Brückenbauer zwischen den musikalischen Welten. Gleich zwei Uraufführungen haben der umtriebige Lockenkopf und die knapp zwei Dutzend Musiker für Reinfeld und Nuss einstudiert: Während das dreisätzige Concertino vor der Pause der Pianist selbst zuliefert und charmant Impressionistisches à la Debussy mit chaplinesken Filmmusikelementen verbindet und seinem Duo-Kollegen die Virtuosen-Bühne bereitet, lässt in der zweiten Konzerthälfte der Dirigent mit seiner Orchestersuite aufhorchen. Denn Kerschek hat die klassischen Barock-Tanzsätze von Allemande bis Sarabande mit rhythmischen Einflüssen von Jamaika bis Indien versetzt und bietet dem Mundharmonika-Virtuosen so über dessen technische Meisterschaft hinaus den Laufsteg, um sein ebenso differenziertes wie reflektiertes Spiel zu demonstrieren. Ja, auf einmal wird aus dem vermeintlichen Grenzgang ein perfekter Groove auf Streicherrhythmen, um im abschließenden Walzer dann in einem friedlich dahinklingen Finale zu münden. So ganz ohne jeden quälenden Ton kann die Mundharmonika klingen – und für ihr nächstes Hamburg-Konzert verspricht Reinfeld dann auch eine Orchesterzugabe „in petto“ zu haben. Klassik-Komponisten sollten sich schon jetzt bewerben!
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