home

N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Hausbesuch

Musik im Riesen

Feine Klunker

Mein Bekenntnis für heute: Ich liebe Museen mit Fake-Faktor! Die Wohnung des fiktiven Sherlock Holmes in der Londoner Baker-Street (das Einlasspersonal trägt Häubchen): wundervoll! Dass ein Museum voll falscher Edelsteine, Swarovskis „Kristallwelten“ in Wattens, die am zweithäufigsten besuchte Sehenswürdigkeit in Österreich ist (700 000 Besucher pro Jahr; mehr hat nur Schönbrunn!) – das ist eine Tatsache von köstlich ironischer Erhabenheit. Verständlich auch. Hier ließ schon Maria Callas für ihre Bühnenauftritte arbeiten. Von hier kommen die Debütantinnen-Krönchen beim Wiener Opernball. Jessye Norman singt in der Ausstellung live.
Untendrunter, gleich unter dem Verkaufsshop, tobt alljährlich ein blitzsauberes, stargespicktes Kammermusikfestival, dessen Mitwirkende nicht wegen der feinen Klunker kommen. In diesem Jahr z.B. Christian Tetzlaff, Isabelle Faust und Patricia Kopatchinskaja. Schon zum zehnten Mal betreut Komponist Thomas Larcher die „Musik im Riesen“, wie das Festival in Anlehnung an die Eingangsskulptur des grasbewachsenen Museumsbaus heißt. „Meine Heimat“, sagt Larcher und erzählt, wie ein reger Musik-Sponsor irgendwann beschlossen habe, die Mittel in ein eigenes, kleines Festival fließen zu lassen. Vorbildlich! Und landschaftlich hinreißend mit umliegendem Bergpanorama und der mittelalterlichen Salzstadt Hall nebenan.
Die Bühne ist intim, die Akustik erstaunlich gut. Der Familienbetrieb (in 5. Generation) lässt einige Konzerte sogar im Hochsicherheitstrakt des Werksgeländes zu. So streng geheim die Herstellungsformel der falschen Brillis sein mag, so erfolgreich hat sich die Firma stets davor geschützt, campy zu werden. Man nützt die Klassik als Qualitäts-Gütesiegel. Nichts dagegen. Denn: Falsches echt erscheinen zu lassen, das ist die hohe Schule der Zauberei. Sogar die Kristall-Lüster der New Yorker Metropolitan Opera kommen folgerichtig von hier. Aus Tirol.

Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 2 / 2013



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Pasticcio

Massenphänomen Oper

Er besaß prachtvolle Villen und 14 Edelkarossen. Zudem lebte er seine Liebe zum Luxus als […]
zum Artikel

Kronjuwelen

Magazin

Schätze aus dem Plattenschrank

Am Klavier gab es für Claudio Arrau schon früh keine technischen Grenzen mehr. Weshalb ihm rasch […]
zum Artikel

Bücher

Bücher

Sag das niemandem – Lebenserinnerungen eines Cellisten

David […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Das Klavierquartett c-Moll des 19jährigen Strauss war ein Geniestreich, der sofort als solcher erkannt wurde. Es erhielt 1885 den 1. Preis im Kompositionswettbewerb des Berliner Tonkünstlervereins und wurde Ende des Jahres in Meiningen unter den Auspizien von Brahms und Bülow uraufgeführt. Komponiert 1883/84, zwischen der 1. Sinfonie und der Burleske für Klavier und Orchester, gilt es als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Brahms und den Formen der klassisch-romantischen […] mehr


Abo

Top