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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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(c) Anne de Wolff

Eva Barta

Die Zärtlichkeit der Nacht

Auf ihrem Debütalbum reflektiert die Pianistin musikalisch die verschiedenen Stimmungen der Nacht.

Die Nacht hat die Menschen von je her fasziniert. Voller Ruhe kann sie sein oder laut wie das pralle Leben. Zu nächtlicher Stunde wird geliebt, gefeiert, gemordet – oder einfach nur geschlafen. Auch die Pianistin Eva Barta schätzt die Nacht in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, weshalb sie die Idee entwickelte, zu zwei „Nacht-Stücken“ Videos zu drehen. So entstanden in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Regisseur Christian Striboll zwei klassische Stummfilme in Schwarz-Weiß. Dem einen liegt Arnold Schönbergs gespenstisches Nachtlied „Erwartung“ in einer Klavierfassung von Eva Barta zugrunde, während Film Nr. 2 Johannes Brahms’ trauriges Wiegenlied-Intermezzo op. 117/I in Bilder kleidet. Dabei geriet die Schönberg-Verfilmung mit zwei vom Körper losgelöst agierenden Händen eher witzig, während der Kurzfilm zu Brahms’ Wiegenlied durch eine großartig eingefangene Waldszenerie beeindruckt.
„Nachdem wir diese Videos gedreht hatten, habe ich mir überlegt, diese in einen größeren Kontext zu stellen“, erklärt Barta, „ich entschied mich dann dazu, ein Album zum Thema ,Nacht‘ aufzunehmen.“ „Until Night Falls“ (Deutsch: Bis zum Einbruch der Nacht) nannte sie es. Für dieses Album, das zugleich ihre Debüt-CD ist, wählte die junge Pianistin, die unter anderem bei Evgeni Koroliov und dem Liedbegleiter Burkhard Kehring studierte, ganz unterschiedliche Stücke aus. Dabei kombinierte sie originale Klavierwerke mit eigenen Bearbeitungen von Liedern. Da findet sich Bekanntes wie Frédéric Chopins „Berceuse“, die „Drei Intermezzi“ op. 117 von Johannes Brahms, Claude Debussys populäres „Claire de lune“ und „La soirée dans Grenade“ aus den „Estampes“ sowie die beiden beliebten Rachmaninow-Préludes in g-Moll und cis-Moll. Die haben nichts mit der Nacht zu tun, sind jedoch dazugekommen, „weil ich für das Album noch ein paar dramatischere und zupackende Stücke benötigte“, so Barta. Aus demselben Grund fand auch Bela Bartóks „Rumänischer Tanz“ „Ein Abend in Transsylvanien“ auf das Album. Ein weiteres Stück, das nicht mit dem Thema „Nacht“ in Verbindung steht, ist „Youkali“ von Kurt Weill, eine Tango-Habanera aus seiner Oper „Marie Galante“.
Hinzu kommen drei Liedtranskriptionen, die allesamt auf Vertonungen von Gedichten Richard Dehmels basieren. Aus den Schönberg-Liedern op. 2 wählte Eva Barta zwei Stücke aus. Neben dem bereits erwähnten Lied „Erwartung“ auch das geistliche Lied „Schenk mir deinen goldenen Kamm“. Als weitere Transkription nahm sie eines der bedeutendsten Lieder von Jean Sibelius hinzu: „Die stille Stadt“ aus den „Sechs Liedern“ op. 50, das eine Stadt in nächtlicher Stimmung beschreibt.
Eva Barta interpretiert all diese Werke mit großer Klarheit und Transparenz, gleichzeitig gelingt es ihr, Wärme und Kantabilität in ihr Spiel einzubringen, wie der mit geschmackvoller Agogik gestaltete Mittelteil von Rachmaninows g-Moll-Prélude oder die voller Zärtlichkeit interpretierte Chopin-Berceuse beweisen. Ein interessantes Debüt einer jungen Pianistin, von der wir noch einiges erwarten dürfen.

Neu erschienen:

„Until Night Falls“

Eva Barta

Genuin/Note 1

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Mario-Felix Vogt, 10.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024



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