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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Lang Lang (c) Simon Webb

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten

Neues von der Hinterbühne

Lang Lang, bekanntester Pianist der Gegenwart, glaubt, dass er nicht mehr süchtig nach Auftritten ist wie zu Beginn seiner Karriere. „Inzwischen habe ich Familie“, so Lang Lang in Berlin. Der Kick des Konzertgebens bestehe aber immer noch „darin, dass man eine gewisse Macht über das Publikum zu spüren glaubt. So als wäre man ein echter Zauberer.“ Lang Lang, der im Alter von drei Jahren mit dem Üben begann, wurde von seinen Eltern einem enormen Erfolgsdrill unterzogen. Eines Tages stiftete ihn sein Vater zum Selbstmord an, weil er angeblich nicht talentiert genug war. Auf die Frage, wie er das seinem Vater habe vergeben können, antwortete Lang Lang: „Ich sagte mir: Move on. Man muss vergeben. Und dann: Er ist doch schließlich mein Vater.“

Dirigentin Joana Mallwitz hält sich für eine gute ‚Notenfresserin‘: „Die ersten 15 Analysedurchgänge mache ich am Schreibtisch, mit Bleistift in der Hand. Warum steht diese Note hier – und nicht dort? Ich kann damit während der Proben dann ziemlich auf die Nerven gehen“, so Mallwitz. „Grundsätzlich muss man ein Werk auswendig intus haben, egal ob man die Noten mit aufs Pult nimmt oder nicht.“ Beim Verbeugen nach dem Auftritt denke sie gar nichts mehr. „Da ist nur Überwältigung“, so Mallwitz. Auf die Frage, was es für sie bedeute, die erste Chefdirigentin bei einem Berliner Orchester zu sein, antwortete sie: „Am Ende geht es um andere Dinge.“ Ab Herbst wird sie neue Chefdirigentin beim Konzerthausorchester. „Darüber hinaus“, so Mallwitz, „ist es natürlich immer wieder verwunderlich, wo man überall noch die erste Frau sein kann.“

Nicht nur Krimiautorin Donna Leon, sondern auch der Gründer des Venice Baroque Orchestra, Andrea Marcon, hat Venedig den Rücken gekehrt. „Venedig hat sich sehr, sehr verändert“, so Marcon in Treviso, wo er mittlerweile lebt. „Es gibt zu viele Touristen, die sich immer auf denselben Trampelpfaden durch die Stadt bewegen.“ Google Maps nämlich funktioniere in Venedig nur schlecht. „Das bedeutet allerdings, dass man das schönste Gefühl, das es gibt, immer noch haben kann: nämlich das, sich im Gewimmel der Wege von Venedig zu verzetteln und zu verlieren. Ich liebe das“, so Marcon. Es erzeuge in ihm bis heute „ein Gefühl wie in meiner Kindheit. Passieren kann auch nichts. Man fällt allerhöchstens in den Kanal.“

Die litauische Star-Sopranistin Asmik Grigorian trinkt nicht gerne Wein, sondern bevorzugt Whisky oder Cognac. „Meine neueste Entdeckung: Tequila.“ Nachgehen könne sie dieser Vorliebe nur gelegentlich: „Wenn ich Leute treffe, die gleichfalls etwas trinken.“ Im Sommer steht Grigorian als Lady Macbeth in Salzburg auf der Bühne, im Herbst folgt Turandot in Wien. Angst davor habe sie durchaus. Nur: „Man darf sich nie davon abhalten lassen, Risiken einzugehen. Das ist mein Credo.“ Das bedeute nicht, dass es nicht doch Rollen gibt, vor denen sie zurückschrecke. „Vor leichten Rollen fürchte ich mich. All die Adinas, Paminas und wie die einfältigen jungen Mädchen alle heißen: Nichts für mich.“ Umso besser für ihre Karriere. „Mit Adina im ,Elisir d’amore‘ kann man heutzutage keine Karriere mehr machen. Man hat Erfolg nur über die Gefahren, die man eingeht.“

Omer Meir Wellber, einer der wenigen bärtigen Dirigenten dieser Welt und ab 2025 Generalmusikdirektor an der Hamburgischen Staatsoper, hält sein „facial hair“ für nicht unwesentlich. „Für mich war der Bart immer extrem wichtig“, sagte er in einem Interview im Urlaub auf Sizilien. „Ich erinnere mich, dass ich beim Militär alles Mögliche mitmachen konnte. Nur mit der Entscheidung, den Bart abnehmen zu müssen, hatte ich enorme Schwierigkeiten“, so Meir Wellber. „Es muss daran liegen, dass der Bart für mich ein Symbol der Selbstbestimmung ist.“ Im Übrigen sind die Inkonsequenzen im Leben ­immer das Schönste. „Gegenwärtig“, so Meir Wellber, „ist der Bart ab. Nur ein Schnurrbart ist übriggeblieben.“

Kai Luehrs-Kaiser, 23.09.2023, RONDO Ausgabe 4 / 2023



Kommentare

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Gabriele
Hallo aus Berlin! Was für ein lebensvoll farbig getroffener Bilderbogen von dem , was gerade sehr interessiert! Spannende Punkte getroffen und heiter 'versöhnlich' zu lesen. Großartige Auswahl und immer etwas Tiefsinn für uns LeserInnen, je nach Ambitionen natürlich. Dass der Bart ab ist, eigentlich bedauerlich, aber ' der Wandel ist das Gesetz des ...' . Ich freue mich auf neue Kommentare und wünsche alles Gute für das Magazin und sein Fortbestehen in dieser Qualität! Gabriele W.


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