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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Georg Friedrich Haas (c) Ricordi/Harald Hoffmann

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Neues von der Hinterbühne

Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas (69) bereut nicht das Outing der sadomasochistischen Beziehung zu seiner Ehefrau – in einem Film vor sechs Jahren. „Ich befand mich an einem Punkt, an dem ich über Dinge, die mir wichtig sind, öffentlich reden wollte“, so Haas zu Hause in New York. „Ob es uns gefällt oder nicht – Sadismus ist eine grundsätzlich menschliche Veranlagung“, meint Haas. „Ich vermute sehr stark, dass ein Onkel von mir, der als Jugendlicher zur Waffen-SS ging, sadistisch veranlagt war. Ich bin auch Sadist, habe aber diese Veranlagung in eine liebevolle Verbindung zu meiner Frau verwandelt. Ich finde das eine viel bessere Lösung.“ Auch in der Musik gebe es sadistische Elemente. „Jede Aufführung ist auch ein SM-Ritual. Es geht um Bewegungskontrolle, bei Blasinstrumenten sogar um Atemkontrolle.“ Und das Publikum? „Das sind Voyeure. Es gibt, gerade in der Avantgarde, oft schlechte Neue Musik, die davon profitiert, dass auch der größte Unsinn eindrucksvoll sein kann, sobald sich zwanzig Personen verzweifelt bemühen ihn zu realisieren. Das ist dann eine schlechte Form von musikalischem Sadismus.“

Cellistin Sol Gabetta hat als Kind niemals Etüden geübt. „Kein leeres Exerzieren! Immer gute Stücke, da lernt man mehr“, so Gabetta zu Hause in der Schweiz. „Meine Mutter hat sich damals sogar erkundigt: ‚Muss sie denn nicht Etüden üben?‘ Mein Lehrer sagte: ‚Wenn Sie es unbedingt wollen – aber eigentlich nicht.‘“ Außerdem hätten ihre Lehrer „sehr darauf geachtet, dass man große Stücke nicht zu früh verschleißt.“ Auch achte sie darauf, bekannte Werke nicht zu oft zu spielen. „Ich bin extrem vorsichtig geworden.“ Denn: „Man spielt zu viel. Unsere großen Werke, auch die beiden Cello-Konzerte von Haydn, spielen wir alle viel zu oft.“

Daniel Barenboim ist zum Ehrenbürger von Berlin ernannt worden – eine Ehre, die seit Karajan nur drei weiteren Musikern zuteilwurde: Dietrich Fischer-Dieskau, Marlene Dietrich (posthum) und zuletzt Wolf Biermann.

Bariton Thomas Quasthoff (63), der vor über zehn Jahren seine Gesangs-Karriere beendete, bedauert, weniger Aufnahmen gemacht zu haben als möglich. „Ich habe der Deutschen Grammophon wohl fünfzig Mal vorgeschlagen, nehmt doch meine Live-Abende auf. Ich habe der Firma drei Grammys eingebracht, fühlte mich aber nicht entsprechend behandelt“, so Quasthoff in Heidelberg. Bis heute wurde eine CD mit Orchesterliedern von Hugo Wolf, dirigiert von Christian Thielemann, nicht veröffentlicht. Wichtig für ihn seien immer starke musikalische Partner gewesen. „Schon das Wort ‚Begleiter‘ finde ich fürchterlich. Omas begleitet man. Nämlich über die Straße.“

97-jährig starb in Florida die rumänische ‚Marathon-Traviata‘ Virginia Zeani, welche die Rolle mehr als 600 Mal live gesungen hat. Mit 91 Jahren starb in Berlin der Gründer der 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, Rudolf Weinsheimer.

Der israelische Mandolinen-Virtuose Avi Avital betrachtet sein Instrument als ideal für Amateure. „Die Mandoline ist perfekt für die musikalische Erziehung, denn man kann sofort Töne herauszaubern.“ Bei der Präsentation als „Instrument des Jahres“ hatte er es sich vorgenommen, mit dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer gemeinsam zu spielen, obwohl dieser eine Mandoline noch nie in der Hand gehabt habe. „Er hat zwei Minuten geübt, dann sind wir aufgetreten“, so Avital in Berlin, wo er lebt. „Lederer und ich wollen auch auf Tour gehen!“ – ‚Erotisch‘ dagegen habe ihm die Madoline nichts genützt. „Ich hatte mit 19 meine erste Freundin. Die Mandoline hat da überhaupt nichts gebracht“, so Avital. „Sie macht am Lagerfeuer einen komischen Eindruck. Wie Sie wissen, lässt Mozart im ‚Don Giovanni‘ eine Canzonetta durch eine Mandoline begleiten. Sie ist das Symbol der Frau, die der Held anschwärmt. An diesem Abend hat er keinen Erfolg.“

Kai Luehrs-Kaiser, 10.06.2023, RONDO Ausgabe 3 / 2023



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