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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Gregor Hohenberg

Ralf Schmid

Von Techno zu Pyanook

Mit einem Datenhandschuh erweitert der Pianist auf überraschende Weise das Klangspektrum des klassischen Flügels.

RONDO: In Ihren Pyanook-Konzerten spielen Sie einerseits auf einem herkömmlichen Flügel und andererseits modifizieren Sie dessen Klang über eine komplexe Elektronik, die Sie mit Datenhandschuhen steuern. Wie kam es dazu?

Ralf Schmid: Ganz privat: Meine Kinder haben angefangen, Techno zu hören. Das war für mich anfangs schwierig, aber dann habe ich die Musik nicht über Handy- oder Computerlautsprecher gehört, sondern einen Kopfhörer aufgesetzt. Da hat sie begonnen, mich zu faszinieren. Und philosophisch betrachtet: Musik reflektiert immer, was in der Welt los ist. Im Moment ist sie in einem turbulenten Zustand. Deshalb ist es – wie in den späten 60er und den 70er Jahren – eine sehr fruchtbare Zeit für Musik. Heute haben wir die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz als große Innovationsthemen. In der Medizinforschung sind die „Wearables“, also die tragbaren Systeme, ein riesengroßes Thema.

RONDO: Techno ist ein weites Feld. Welcher DJ hat Sie besonders beeindruckt?

Schmid: Viele. Vor einiger Zeit habe ich mal wieder Aufnahmen von Moritz von Oswald gehört. Was er macht, hat immens viele Schichten. Das ist fantastisch.

RONDO: Sie haben sich in der Vergangenheit bereits als Jazzmusiker, Arrangeur und Komponist einen Namen gemacht. Gehören diese Bereiche nun der Vergangenheit an?

Schmid: Eigentlich nicht. Ich interessiere mich für viele Felder.

RONDO: Wie wichtig ist für Sie die Tradition der stromgespeisten Musikinstrumente aus den 1920er- Jahren, dem Theremin und dem Trautonium?

Schmid: Ich habe vor einiger Zeit etwas auf dem Theremin gespielt und war überrascht, wie ähnlich das Verhältnis von Bewegung zum Klang ist. Aber mein Ausgangspunkt ist anders: Mir geht es um die Klangfarbe – wie bei den Orchestern und Chören, die mich schon immer fasziniert haben. Es geht darum, mit natürlichen Bewegungen im Flow des Spiels Klänge anzusteuern. Ganz banal: Wenn ich die Hand nach oben nehme, geht auch die Tonhöhe nach oben. Wenn ich die Finger spreize oder zur Faust balle oder eine Drehbewegung ausführe, verändert dies die Klangcharakteristik ebenfalls. Andererseits sind die Fingerspitzen ausgespart, sodass ich ohne Einschränkungen auf den Tasten spielen kann.

RONDO: Warum treten Sie bei Konzerten in größeren Räumen mit einem Lichtkünstler auf?

Schmid: Ich habe eine Professur an der Musikhochschule Freiburg. Wenn ich zu den Studierenden sage: Hört Euch mal ein bestimmtes Musikstück an, dann schauen die das Stück auf YouTube an. Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass wir auch im herkömmlichen Konzert hinschauen. Bei einem Digitalprojekt muss ich auch das Visuelle, den Raum, gestalten. Bei Auftritten in großen Räumen übernimmt der Visual Artist Pietro Cantarelli das Lichtdesign.

RONDO: Und in einem kleinen Raum …

Schmid: … geht das nicht. Dann habe ich nur meine Technik und den Flügel. In einem großen Raum verwende ich übrigens auch einen zweiten Flügel, den ich etwas üppiger als John Cage präpariert habe.

RONDO: Welche Musikstücke zählen zu Ihren Favoriten?

Schmid: „Sacre du printemps“ von Strawinski, die Johannespassion von Bach, „Lux Aeterna“ von Ligeti, die letzten drei Beethovensonaten, das Klavierkonzert von Ravel.

RONDO: Gibt es irgendwann Pyanook mit Orchester?

Schmid: Ja. Ich habe ein Konzert im Kopf, das ich gerne schreiben würde, aber noch keinen Auftrag eines Orchesters.

Neu erschienen:

Pyanook

Ralf Schmidt

Neue Meister/Edel

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14.12.2019, RONDO Ausgabe 6 / 2019



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