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(c) Florence Grandidier/NDR
Erschöpft und glücklich. So könnte man Thomas Hengelbrocks gegenwärtigen Gemütszustand beschreiben. Die Elbphilharmonie ist eröffnet. Er hat dem erst umstrittenen, jetzt architektonisch hochgelobten, akustisch aber bemäkelten Hochglanzbau mit seinem Ensemble, dem für Millionen Euro zum Hausklangkörper umgetauften NDR Elbphilharmonie Orchester, den ersten Tonstempel verpasst. Mit einem ambitionierten Programm zwischen Vergangenheit, Moderne und Gegenwart.
Und so wird es auch die nächsten Monate der ersten Saison im neuen Haus weitergehen. „Ich möchte immer Grenzen austesten“, sagt der hochgewachsene, schlanke, (schütter) blonde 58-Jährige mit dem nordisch eingefärbten, Wilhelmshafener Akzent. Und praktiziert es beständig. Den Violinisten und Spezialisten für historische Aufführungspraxis hat er längst hinter sich gelassen, und zwar spätestens, als er 2011 als Chef des damaligen, nicht unschwierigen NDR Sinfonieorchesters Hamburg antrat. Inzwischen hat er bis 2019 verlängert.
Aber natürlich ist ihm die Arbeit mit dem von ihm begründeten Balthasar-Neumann-Ensemble und Chor ebenso wichtig (wie die glänzende, soeben veröffentlichte Aufnahme von Mendelssohns „Elias“ beweist), ja sie soll jetzt – die „Elphie“-Hausaufgaben sind einigermaßen erfüllt – wieder mehr Raum bekommen. Wie auch sein Faible für Wortprogramme, die er sich schon früher gern mit Klaus Maria Brandauer ausgedacht hat, inzwischen aber mit seiner Frau, der Schauspielerin Johanna Wokalek realisiert.
Der Gesamtkomplex Hengelbrock ist weit vielschichtiger als die meisten denken. Wichtig waren für ihn künstlerische Anregungen als Assistent von Witold Lutosławski, Mauricio Kagel und Antal Doráti. Mit dem ebenfalls von ihm mitbegründeten Freiburger Barockorchester und dem Neumann-Ensemble führte er immer wieder auch Werke der Moderne auf, er war drei Jahre Chefdirigent der Wiener Volksoper, genauso lange künstlerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
2001 gründete er das fünf Jahre von ihm geführte Feldkirch Festival, wo er auch ausstattete und inszenierte. Er dirigierte in Baden-Baden Verdis Opern auf historischen Instrumenten, längst folgt er aber auch Einladungen internationaler Orchester. Die Wiener Philharmoniker haben ihn auserkoren, mit ihm Mozart ganz neu, akribisch und offen, so historisch informiert wie traditionell im Ton, zu erarbeiten.
Thomas Hengelbrock liebt unbekannte Barockmeister wie Giovanni Legrenzi, von dem er in Schwetzingen und Innsbruck hinreißende Opern ausgegraben hat, aber auch die Ekklesiastische Aktion von Bernd Alois Zimmermann. Eng arbeitet er mit Zeitgenossen wie Jan Müller-Wieland oder Erkki-Sven Tüür zusammen. Wagners „Parsifal“ auf Instrumentarium der Entstehungszeit und eine Bayreuther „Tannhäuser“- Premiere zählen ebenfalls zu seinen Verdiensten.
Termingerecht zur Eröffnung erscheint bei seinem Hauslabel nun das erste, in der Elbphilharmonie aufgenommene Album: eine schnittige Minimal-Vibrato- Aufnahme von – natürlich – Brahms’ 3. und 4. Sinfonie. Parallel hat man die in den vergangenen Jahren entstandenen Aufnahmen von Lotti und Durante, Cavalli und Caldara eben in einer 16-CD-Box zusammengefasst. Dabei blieb Hengelbrock nicht mal die Zeit, um diese Hommage vorab genauer zu begutachten: „Ich höre selten meine alten CDs“, gesteht er, „ich bin dauernd mit so viel Neuem beschäftigt.“
Matthias Siehler, 18.02.2017, RONDO Ausgabe 1 / 2017
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