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Vor zwei Jahren hatte sie eine große Gluck-Premiere als Orfeo unter Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen. Wer sie heute hört, der würde niemals glauben, dass diese satte Altistin mit der flexiblen, schlanken Stimme, die etwas Autoritäres, Distinguiertes, aber niemals etwas Mütterliches hat, ursprünglich einmal Koloratursopran werden wollte. Einige Jahre hat sie es – als spät zündender lyrischer Sopran – auch durchaus weit gebracht, sang im Festengagement an der Wiener Volksoper die von ihr bis heute so geliebten Mozartpartien wie etwa die Pamina oder die »Figaro«-Gräfin (»von der redet man immer noch«).
Und heute findet sie es wunderbar, dass sie von Nikolaus Harnoncourt gefragt wird, ob sie sich mit ihm eine sehr besondere, weil lebenserfahrene Zofe Despina in »Così fan tutte« vorstellen kann. Aber dazwischen lagen auch Zeiten der Verzagtheit und des Zweifels, als plötzlich die Höhe immer tiefer rutschte, als sie sich – diesmal an der Wiener Staatsoper – ein komplett neues Mezzorepertoire aufbauen musste. »Ich war keine Anfängerin mehr und wurde trotzdem mit Partien wie Blumenmädchen traktiert, aber durfte dann auch bald Fricka singen. Jetzt bin ich endlich losgelassen, denn so bin ich, ein freier Vogel.« Frei – und viel gefragt.
Elisabeth Kulman ist schlank, hat ein interessant geschnittenes Gesicht, dunkle, volle Locken. So eine ist natürlich prädestiniert für die feinen, feschen Hosenrollen. Doch sie hat ihre Lektion gelernt: »Die sind mir meist in der Lage zu hoch. Nach einem Octavian, den ich drauf habe, bin ich müde. Und ich möchte nur auf die Bühne, wenn ich mich wirklich sicher fühle. Man soll sich nicht quälen im Leben.«
Sie ist auch deshalb viel gefragt, weil sie stilistisch so vielseitig ist. Sie hat neben Anna Netrebko im Belcantofach geglänzt und hat inzwischen besonders das Lied- und Konzertrepertoire zu lieben gelernt. »Da gibt es als Mezzo oder Alt natürlich viel zu tun. Und es gibt noch so viel zu entdecken. « Elisabeth Kulman entdeckt mit Lust, was ihr auch mit bisher vier Soloplatten wunderbar geglückt ist, darunter ein Jazz-Projekt über Mussorgski, Liszt- Lieder, Mahler-Lieder mit Akkordeon und die gerade von der Kritik so gepriesenen Orchesterlieder des unbekannten Spätromantikers Hans Sommer. »Wenn ich eine Platte aufnehme, muss sie etwas Besonderes sein, was das Repertoire, den Zugang oder die Interpretation betrifft. Sonst macht es für mich nicht wirklich Sinn.«
Im Augenblick irritiert sie eher, dass sie als inzwischen etablierte Wagnersängerin vom Betrieb so festgelegt wird. Eben war ihre Witwe Begbick im Wiener »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« ein bewusster Ausbruch, ihr »Fledermaus«-Orlowsky lässt nach wie vor genauso aufhorchen wie ihre Carmen. Die singt sie bald in einer Hamburger Neuinszenierung. Denn auch Deutschland soll endlich wissen, was Österreich schon längst weiß: Mit Elisabeth Kulman ist zu rechnen.
Material/harmonia mundi
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