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Während die Nürnberger Kaiserburg schon früh Minnesängern ein Forum bot, so beherbergte die herrliche St. Sebald- Kirche Mitte des 15. Jahrhunderts einen Schülerkreis des Organisten Conrad Paumann als erste institutionelle Musikausbildungsstätte. Bedeutende kirchenmusikalische Zentren befanden sich in St. Lorenz, der Frauenkirche und der Heilig-Geist-Schule. Dort wurde auch die Pflege der Moresken, pantomimischer Charaktertänze und Urahn der Oper, betrieben. Zum Ende des 15. Jahrhunderts wurden diese von den Fastnachtsspielen abgelöst, von denen viele vom schreibenden Schuster Hans Sachs stammten. Singschulen mit Darbietungen in Wirtshäusern, Höfen, aber auch in der Spitalkirche von St. Martha, dem Übungsort der Meistersänger, waren eine zentrale Bewegung.
Nürnberg entwickelte sich zu einem Zentrum der Minnesänger und Dichter: Walther von Stolzing war oft zu Gast auf der Kaiserburg, Tannhäuser und der „Parzival“-Dichter Wolfram von Eschenbach wurden in der Region geboren, ein Gastspiel von Oswald von Wolkenstein ist für das Jahr 1431 nachweisbar. Ein bedeutendes Werk in der Musikgeschichte Nürnbergs ist die erste erhaltene deutsche Oper „Seelewig“, komponiert vom Organisten Sigmund Theophil Staden. Christoph Willibald Gluck, dem eigene Festspiele gewidmet sind, stammt aus dem nahen Berching.
Doch man hat gerade an den „Meistersingern“ – selbstredend die hier am häufigsten gespielte Oper – auch schwer zu tragen. Nicht nur weil Adolf Hitler in der Stadt der Reichsparteitage mit eben diesem Werk seine nicht wirklich opernaffinen Parteigenossen zu quälen pflegte. Auf der Festwiese prangten dann die von Reichsbühnenbildner Benno von Arent entworfenen Hakenkreuzflaggen, und in der eigens eingerichteten Führerloge im vom dekadenten Jugendstilornat befreiten Opernhaus saß Hitler höchstpersönlich.
Seit der letzten Sanierung 1998 ist der Fassadenschmuck draußen wieder an Ort und Stelle, aber das außerhalb der Stadtmauer am Frauentorgraben 1905 eröffnete Haus des Berliner Theaterarchitekten Heinrich Seeling (der auch die Deutsche Oper, das heutige Berliner Ensemble, die Theater Gera, Freiburg, Halle und Rostock gebaut hat) mutet schwerfällig an. Die verhaltene Jahrhundertwende-Staffage in fränkischem Sandstein, dazu Renaissanceund Gotik-Elemente, das ist eine gewöhnungsbedürftige Mixtur. Innen freilich gibt man sich schlicht und funktional.
Hans Gierster war von 1965-88 der am längsten dienende Generalmusikdirektor, der ihm für nur vier turbulente, mit einem Gerichtsstreit endende Jahre folgende Christian Thielemann ist der berühmteste Generalmusikdirektor. Seit 2005 ist man neben den drei Münchner Bühnen endlich Bayerns viertes Staatstheater, aber eines mit Dreispartenbetrieb. Seit 2008 amtiert Peter Theiler als Intendant, der besonders mit seiner Belcanto-Pflege Aufmerksamkeit erregt. Am 15. Juni wird man Meyerbeers „Hugenotten“ stemmen, Regie führt das bemerkenswerte Talent Tobias Kratzer.
Und gleichzeitig sind Georg Schmiedleitner und der agile gegenwärtige Generalmusikdirektor Marcus Bosch mit ihrem neuen „Ring“ in der Halbzeit angekommen. Die Vorgänger- Produktion war 2005 sogar die erste Aufführung von Wagners Tetralogie in China gewesen. Sonst ist man hier szenisch freilich längst nicht mehr so wagemutig wie etwa 1974, als ein gewisser Hans Neuenfels mit seinem wüsten Opernregieerstling „Der Troubadour“ noch einen Skandal entfesselte.
Vom satten, doch flexiblen Sound der Staatsphilharmonie Nürnberg unter Bosch kann man sich beispielsweise auch im gerade für Coviello Classics entstehenden Dvořák-Zyklus überzeugen. Auch seine „Meistersinger“ aus Nürnberg finden sich bereits auf DVD.
Weniger glücklich sind alle Beteiligten nach wie vor mit dem dumpfen, trockenen Klang in der Meistersinger- Halle, die als Ersatzphilharmonie herhalten muss. Schön ist der Zweckbau mit seinen 2100 Sitzen plus 500 im kleinen Saal auch nicht. Trotzdem veranstalten hier die 1946 gegründeten, gegenwärtig unter der Leitung Alexander Shelleys stehenden Nürnberger Symphoniker Konzertreihen; die Nürnberger Konzertchöre (Hans- Sachs-Chor, Philharmonischer Chor, Lehrergesangverein) treten regelmäßig auf. Auch Gastspiele klassischer Orchester und Solisten finden in Nürnberg weitgehend hier statt. Der Avantgarde und freien Szene ist die Tafelhalle vorbehalten, hier spielt auch immer wieder die Pocket Opera Company um Dirigent David Seaman und Regisseur Peter B. Wyrsch – im Jahre 1974 als inzwischen ältestes freies deutsches Musiktheater gegründet. Über „Rock im Park“ bis hin zum Weltmusikfestival „Bardentreffen“, das jährlich zum kostenlosen Happening für über 200.000 Musikfans wird, reicht die Palette der Festivals. Mit der Internationalen Orgelwoche (siehe Info-Kasten), dem Internationalen KammermusikFestival und dem Festival „Musica Franconia“ setzt Nürnberg weitere musikalische Höhepunkte.
Einen Besuch wert ist selbstverständlich auch die Musikinstrumentensammlung im Germanischen Nationalmuseum: Sie enthält Instrumente aller Gattungen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Der Bestand umfasst über 3.000 Objekte. Und nicht zuletzt besitzt das Museum natürlich auch die Originalpartitur der – „Meistersinger von Nürnberg“.
www.staatstheater-nuernberg.de/
www.nuernbergersymphoniker.de/
www.gnm.de/ausstellungen/dauerausstellungen/musikinstrumente/
Besondere Töne schlägt die Internationale Orgelwoche (ION) an, die seit 1951 alljährlich in Nürnberg stattfindet. Als größtes und ältestes Festival seiner Art repräsentiert sie das beeindruckende Spektrum sakraler Kirchenmusik. „Rausch“ lautet das Motto, das sich vom 23. Mai bis zum 1. Juni durch die Veranstaltungen zieht – von der Gregorianik bis zu zeitgenössischer Elektronik und vom Solorezital bis zu sinfonischen Klangpracht. Renaissancepolyphonie und arabischer Gesang sind ebenso Bestandteile wie raumgreifende Perkussionsperformances. http://www.ionmusica-sacra.de/
Matthias Siehler, 24.05.2014, RONDO Ausgabe 3 / 2014
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