ECM/Universal 476 4929
(51 Min., 10/2009)
Laut des Einführungstextes von Jürg Stenzl soll Morton Feldman für sein Konzert für Violine und Orchester eine Orchesterbesetzung gefordert haben, die von ihrem Umfang her einmalig in seinem gesamten Schaffen geblieben ist. Opulentes Schlagzeug gesellt sich da zu zwei Klavieren, mehrfach besetzten Holz- und Blechbläsern sowie zur großbesetzten Streichergruppe. Da der Amerikaner jedoch stets das genaue Gegenteil eines aufschreckenden Lauttöners war, liegt die gesamte Klangkraft jetzt nicht nur in der Ruhe. Feldman lässt die Orchestermusiker den Weg feinster Schattierungen ausschließlich kammermusikalisch nehmen. Und selbst die Violine verweigert sich strikt sämtlichen Konventionen eines Violinkonzerts. Feinsilbrig ist der durchweg mit Dämpfer zu spielende Ton in das scheinbar sanfte Orchesterwesen eingebettet.
Doch wie sein ebenfalls 1979 komponiertes, sich auf 80 Minuten Spieldauer ausdehnendes Streichquartett ist dieser riesige Slow-Motion-Organismus keine Einladung zur Meditation und Kontemplation. In diesen Grenzregionen zwischen Stille und Nicht-Stille muss man ständig auf der Hut sein. So sehr die Violine sich mit ihrer arabesken Zartheit von der Realität abzuwenden scheint, so holt sie einen mit einem schauerlich geheimnisvollen, dem menschlichen Herzschlag nahen Pulsieren schneller wieder ein als vermutet. Und aus dem Dauer-Pianissimo ragen für nur einen kurzen Moment stelenartige, trotz aller Fragilität bedrohliche Gebilde heraus. Über 50 Minuten lang halten Carolin Widmann sowie das von Emilio Pomàrico geleitete hr-Sinfonieorchester diese ungeheuren Spannungen bewundernswert hoch. Und man hat bei diesen Musikern keine andere Möglichkeit als sich hellwach auf die Urgewalten jeder einzelnen Note und Geste einzulassen.
Guido Fischer, 13.07.2013
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