Sein achtzigsten Geburtstag konnte Clark Terry vergangenes Jahr feiern. Glücklicherweise ist er heute noch aktiv, obgleich er in den letzten Jahren mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatte. Im Neuburger Klub "Birdland" hat er sich und uns ein schönes Geburtstagsgeschenk aufgenommen.
Die Behauptung, man höre ihm sein Alter nicht an, wäre Schmeichelei oder ein Irrtum, der auf Unkenntnis seiner früheren Leistungen basiert. Die Brillanz seines Spiels hat deutlich nachgelassen: die Töne kommen nicht mehr so klar und präzise wie früher. Und? Nur ein undankbarer Narr würde das bemäkeln. In gewisser Weise hört man Terry sein Alter nämlich wirklich nicht an: Er verfügt immer noch über das „Lachen“ in der Trompete, mit dem er aus Hunderten herauszuhören ist, und über eine Riesenportion Humor. Hier etwa macht er kurzerhand aus der Sprachmelodik des Rufes "Herr Ober" einen Blues. Kurz: Terrys Spiel zeugt von jener ansteckenden Lebensfreude, die gerade so viele Mainstreamer der jungen Generation so schmerzlich vermissen lassen.
Während Dutzende seiner alten Platten auf Wiederveröffentlichung warten, mangelt es an neuen Clark-Terry-Alben nicht. Ist Terry da meist nur verkaufsfördernder Stargast anderer Bands, so ist er hier endlich mit seiner „Working Band“ zu hören. Der Altist Dave Glasser, wie Terry Modern Jazzer mit stilistischen Wurzeln in älteren Traditionen, spielt „konservativen“ Bebop mit Biss. Der Pianist Don Friedman, der Bassist Marcus McLaurine und die Schlagzeugerin Sylvia Cuenca bilden die beherzt swingende Rhythmusgruppe.
Auf "Herr Ober" serviert der Chefkoch unter den lebenden Trompetern seiner Generation seine bekannten Spezialitäten: Zwiegespräche zwischen Trompete und Flügelhorn sowie „Mumbles“, ein aus der Nachahmung unverständlich murmelnder Bluessänger erwachsener, fast schon dadaistischer Sprechgesang. Und obwohl Terrys origineller Stil inzwischen schon so bekannt ist, das andere von dessen Imitation leben, ist mancher seiner Einfälle immer noch unvorhersehbar, etwa das "Blue-Rondo-à-la-Turk"-Zitat in "Li’l Darlin’".
"Auf Wuidersäin, Herr Ober" singt Terry am Ende des Albums. Auf Wiederhören, Mr. CT, und das noch möglichst oft.
Marcus A. Woelfle, 12.07.2001
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