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N° 1298
25. - 31.03.2023

nächste Aktualisierung
am 01.04.2023



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Bird Songs - The Final Recordings

Dizzy Gillespie

Telarc/In-Akustik CD-83421
(63 Min., 1/1992) 1 CD

Dizzy und Bird, dem das Album gewidmet ist, waren in den Vierzigern die Mitbegründer eines neuen Dialekts in der Sprache des Jazz: Bebop. Doch dieses von all ihren Schülern fleißig gelernte Idiom sollte bald zur Grammatikgrundlage des modernen Jazz werden. Dizzy war im Alter bekanntlich weise genug, fetzige Jüngere vorzustellen und dabei auch mal in den Hintergrund zu treten.
Hier jammen sie alle - Söhne wie Benny Golson und Jackie McLean, Enkel wie Bobby McFerrin und Paquito D’Rivera und Urenkel wie Antonio Hart und Danilo Perez - mit ihrem Urahnen Dizzy in dessen eigenem Idiom um die Wette. Wer wollte es dem Mitsiebziger Gillespie ankreiden, daß seine musikalischen Kinder und Kindeskinder sich in dieser Sprache inzwischen klarer und deutlicher ausdrücken als der Meister selbst. Doch der Dizzy der Neunziger gehörte nicht zum alten Eisen. Sicherlich, in den letzten Jahren war’s aus mit den strahlenden, atemberaubenden Höhen, der Ton wurde trüber und schwächer. Hier rächte sich vielleicht die originelle Art des Blasens mit voll aufgeblähten Backen, bei der theoretisch ohnehin niemand einen Ton aus der Trompete herausbekommen dürfte. Dennoch: Dizzys Spätwerk besitzt einen eigentümlichen Reiz, selbst dort, wo wir auf die alten Nummern mit den zu Klischees gewordenen Standardphrasen treffen.
Nicht, wie beim alternden Armstrong, das routinierte, brillante Herausstellen der einmal gefundenen licks; nicht, wie beim späten Miles Davis, das - bei aller Abenteuerlust - Sich-Verlassen-Können auf altbekannte Markenzeichen seines einsamen Trompetenklangs. Der alternde Dizzy klang auch noch kurz vor seinem Tod wie ein Experimentator, der mit seinen früheren Errungenschaften spielerisch umgeht. So manche typische Dizzyphrase klingt seltsam verzerrt und verschoben, ja in Frage gestellt.
Gillespie gibt dem Hörer, was dieser erwartet, und auch wieder nicht. Manches klingt so, als hätte er in den gewohnten Bebop-Sätzen die Reihenfolge der Wörter vertauscht, dies und jenes nuschelnd aussprechend, Aussagen in Fragen verwandelnd. Daher war Dizzy bis zuletzt noch auf eine unspektakuläre Art spannend. Und wie anrührend, verglichen mit dem rasiermesserscharfen Bop der schneidigen Jungen, die, je jünger sie sind, desto konservativer neben Dizzy wirken. Das Album zeigt Gillespie ein Jahr vor seinem Tod in guter Verfassung und hält manche Überraschung bereit. Mit Bobby McFerrin intoniert Dizzy im vogelkundlichen “Ornithology” eine Art Hundegebell, und “Con Alma” mit Danilo Perez wurde selten auf der Trompete so geflüstert.

Marcus A. Woelfle, 31.05.1997



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