Das Besondere bei einem Jazzkonzert ist, dass der Zuhörer auch als Zuschauer den Entstehungsprozess der Musik zu einem wesentlichen Teil miterlebt. Die DVD als Medium erlaubt es, die Vorzüge der CD mit der Visualisierung zu verbinden und so das Konzerterlebnis nachvollziehbar zu machen. Allerdings wird der eigene Aufmerksamkeitsfokus immer mit der vorgegebenen Bildregie konkurrieren. Doch es gibt die Glücksfälle, dass man tatsächlich das sieht, was man besonders intensiv belauscht. Die 1994 beim Münchner Klaviersommer aufgezeichnete DVD mit dem Gonzalo-Rubalcaba-Trio dürfte dazu gehören. Der kubanische Pianist war mit seinem langjährigen Schlagzeuger, seinem immer noch jungen Landsmann Julio Barreto, in die Philharmonie gekommen; als dritten Mann hatte er die Kontrabasslegende Ron Carter verpflichten können. Gleich mit der ersten Nummer wurde klar, wohin die Reise gehen sollte: Mit einem ganz offen wirkenden und doch so vertrackt genauen Arrangement des Bebop-Klassikers "Hot House" war das Programm vorgegeben: Große Originals des Bebop-Songbooks wurden einer Neuinterpretation unterzogen, deren Ansatz an ähnliche Unternehmungen Chick Coreas erinnerten und deren Interaktionsmuster immer wieder an den freien Atem des Miles-Davis-Quintetts gemahnten, dessen Mitglied Ron Carter ja war. Bei Rubalcaba allerdings liefen die Fäden stets beim Leader zusammen, die Quirligkeit des Schlagzeugs war stets punktgenau im Dienste der überbordenden Virtuosität des Pianisten. Die beim ersten beboptypischen, viertaktigen Wechselspiel von Schlagzeug und Tutti noch etwas zählunsichere Kameraführung lernte schnell hinzu, und so trübt jetzt nichts den ausgedehnten Pianotrio-Hochgenuss.
Thomas Fitterling, 16.09.2006
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