„Ich bin ein spontaner Musiker, der weder einen Stil hat noch rigoros ein Programm durchzieht“, hat Kenny Werner einmal gesagt. Danken wir ihm für seine Offenheit! Denn ein in seiner Vielseitigkeit entzückendes Album hat uns da der Philosoph des Jazz-Klaviers geschenkt! Zunächst werden atmosphärisch dicht vier Titel im Trio mit dem New Yorker Bass-Newcomer Drew Grass und dem „unfehlbaren“ Drummer Billy Hart ausgelotet, die Werner erneut als einen der hörenswertesten Pianisten des evansschen Traditionsstranges ausweisen. Dann fächert sich das Album zu einem Mosaik auf, dessen bunte Steine ein vielschichtiges Porträt Werners ergeben.
Versunkene Zwiesprachen mit Joe Lovano (der Höhepunkt des Albums) stehen neben einem risikofreudigem Quintett mit den kaum bekannten Post-Boppern Tony Malaby (ts), Dave Ballou (tp), Johannes Weidenmüller (b) und Ari Hoenig (dr). Feinsinnig-ätherischer Gedankenaustausch mit dem Geiger Mark Feldman wechselt mit einer tief gefühlten Vokaleinlage Betty Buckleys. Dann nehmen die Geigen zu. Ein Stück, das Werner unter der Dusche „zufiel“ und das ihm selbst zu schlicht, nicht hip genug vorkam, erscheint als Kammermusik, die als Soundtrack zu einem romantischen Film sicher ein Kassenschlager wäre. Zuletzt erleben wir Werner als Rezitator eigener Poesie.
Dieser Kenny Werner ist ein Künstler mit einer Spannweite von tristanoider Strenge zu evansscher Lyrik, von bleyscher Intellektualität bis zum fast kitschigen Wohllaut. „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, meint schon der Theaterdirektor in Goethes „Faust“. Stimmt nicht immer, aber bei Kenny Werner auf jeden Fall.
Marcus A. Woelfle, 31.12.1999
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