Da wird schon auf dem Cover über armbandbehängtem Arm eine rote Feder, später auch ein gelber (Voodoo?)-Puschel gezückt. Hier geht es hörbar exotisch zu. Doch das klingt sonnenbeschienen, rhythmisch belebt, optimistisch, ja und manchmal auch ein bisschen kitschig. Für die vierte Veröffentlichung bei seinem Label hat sich der immer noch erst 29 Jahre junge franko-hispanische Gitarrist Thibaut Garcia der Musik des aus Paraguay stammenden Gitarristen und Komponisten Agustín Barrios (1885-1944) angenommen.
Der hat die ganze Palette der Gitarre ausgereizt, entlockt ihr folkloristische wie klassische Klänge. Barrios schrieb gefällige Träumereien, Romanzen, Walzer, Mazurken, bearbeitete auch Chopin, Beethoven oder Schumann, wie hier dazwischengestreut zu hören. „El bohemio“ zeigt Garcias lupenreine Technik ebenso wie seine emotionale Tiefe, stets weiß er, welche Tricks und Kniffe er für einen vielfältigen, plastisch gestaffelten Klang einzusetzen hat. Überlegen arbeitet er mit Kontrasten und Stimmungen. Barrios, auch Nitsuga Mangoré genannt, erweist sich in diesen fast zur Biografie sich fügenden 16 Stücken als ein Meister im Verbinden von Strömungen der deutschen Romantik mit südamerikanischer Populärmusik. Das dreiteilige „La catedral“ wurde sein berühmtestes Stück, aber auch mit Leidenschaften und Sehnsüchten spielt er gekonnt. Es gibt zwei seiner Gedichte zu hören, „El bohemio“, das den Komponisten als herumwandernden Troubadour porträtiert, gab dem Album seinen Namen. Und im letzten Track ist Mangoré sogar selbst als fesselnder Spieler dem Schellackrauschen der alten Zeiten entrückt. Und da erfährt man auch, was Garcia fasziniert: „Barrios’ Musik ist inspiriert von der Natur, der Flora und Fauna in Paraguays Urwald. Er ist der Paganini des Dschungels.“

Manuel Brug, 30.09.2023

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