Das hätte vor 50 Jahren auch schon Peter Pears aufnehmen können – ein „English Songbook“ unter dem Allerweltstitel „Divine Music“. Was hier vor allem einen Rückzug von der Welt ins Idyll, die Schönheit, das schwer fassbar „Göttliche“ der Musik meint. Der britische Tenor hätte freilich noch keine Titel von Thomas Adès und Nico Muhly (übrigens Amerikaner, aber natürlich ist auch seine Muttersprache eine Art von Englisch) dabeigehabt. Er hätte aber mit ähnlicher Manier und ebenfalls einigen schrillen Tönen gesungen wie heute sein Landmann, der Countertenor Iestyn Davies. Der wird zwar zu Hause hymnisch verehrt, aber insgesamt klang die Stimme bisher – im Vergleich mit seinen gegenwärtigen Berufskollegen – etwas ausgedünnt einförmig und typisch chorknabenhaft. Jetzt aber scheint sie auch noch ihren einst blütenweiß porzellanenen Schimmer eingebüßt zu haben und ist eher auf der essigsauren Seite. Schade drum. Mit dem leider auch nur wenig inspirierten, brav taktierenden Pianisten Joseph Middleton wird also der eiserne englische Wohlfühl-Songbestand von Henry Purcell über den Organisten William Croft (gern in Britten-Bearbeitungen) und die Viktorianer Herbert Howells sowie den im ersten Weltkrieg gefallenen Charles Butterworth („A Shropshire Lad“) abgearbeitet. Von den beiden Zeitgenossen, beide Davies verbunden, gibt es Frühwerke, Opernadaptionen, Traditionslieder und auch sonst wenig Aufmerksamkeit Heischendes. Manches sind Ersteinspielungen, alles ist vokal und gestalterisch finessenreich ausgedeutet und irgendwie nett. Aufhorchen lässt aber höchsten Muhlys Ode an die vor einiger Zeit wiederaufgefundenen „Old Bones“ von Richard III. sowie aus der in Salzburg uraufgeführten Adès-Oper „The Exterminating Angle“ die Davies zugedachte „Coffee-Spoon Cavatina“.

Manuel Brug, 06.05.2023

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