Mit seinem langen Haar und dem Vollbart macht der französische Bariton Florian Sempey auf der Bühne durchaus und unmittelbar bella figura. Der liebt die Bühne – und die liebt zurück. So ist sein Figaro keineswegs – wie es sein Debütrezital suggeriert – mit einem Fragezeichen behaftet. Und auch mit dem Aufnahmemikrofon versteht der 34jährige, der den großen Auftritt mag, durchaus umzugehen. Das gewisse rampensäuische Etwas kommt also sogar aus dem Lautsprecher rüber. Denn das Sempey-Vokalorgan, es sitzt, nicht allzu groß, aber fein projiziert, auch nicht allzu distinguiert im Klang, aber schnell ansprechend, geläufig, direkt. Und ein Gestalter in 3D ist er zudem. So macht diese Zusammenstellung von Rossini-Delikatbekanntheiten („Barbiere“, „Cenerentola“, „Italiana“) und -raritäten (zwei nahrhafte Soli aus den jugendlichen Farcen „L’occasione fa il ladro“ und „La scala di seta“ sowie eine herrlich leiernde Arie aus der Opéra comique „Le comte Ory“) sehr viel Vergnügen. Dafür wurde sogar sorgfältiger wie ungewöhnlicher Aufwand betrieben. Angefangen bei der Autorin des Booklets: Keine geringere als die französische Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin, die Sempey bereits in den Baritonhimmel lobt, zeichnet hier. Die Kollegen Nahuel di Pierro, Karine Deshayes und Yoann Dubruque leisten wohlgeraten gewichtige Vokalkontributionen in den drei Duetten. Am Pult des flexibel agierenden Orchestre National Bordeaux Aquitaine steht – auch bei zwei Ouvertüren – glückhaft seine Rossini-Brause verpulvernd Marc Minkowski, der Sempey schon lange fördert. Und als hidden track gibt es zum Rausschmiss noch das „La chanson du bébé“: Atchi. Pipi, maman, papa, ca-ca!

Matthias Siehler, 04.06.2022

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