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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Ist das jetzt eine Zeitenwende? Zumindest trägt hier erstmals auf einem Decca-Cover ein Mann Kleidung weiblichen Zuschnitts und Stöckelschuhe, die eindeutig damenhaft sind. Der so schillernd Inszenierte ist – wohl als Speerspitze der nun auch hier Einzug haltenden modischen Genderfluidität gedacht – Sopranist Samuel Mariño. Der 24-jährige Venezolaner tritt in seinen Liederabenden schon mal, Vincenzo Bellinis „La sonnambula“ singend, im Faltenröckchen auf. So hat halt jeder seine Nische. Nach einem ersten Album von 2020 mit Arien von Georg Friedrich Händel und Christoph Willibald Gluck, wo er ebenfalls schon Frauenrollen interpretierte, möchte er bei seinem Großlabel-Einstand offenbar verstärkt seine weibliche Seite betonen. Nun sangen in der Barockoper je nach Wahl mal die Kastraten Frauen- wie Männerrollen, mal ihre weiblichen Pendants, die Altistinnen. Der junge Wolfgang Amadeus Mozart schrieb etwa den Hirten Aminta in „Il rè pastore“ für einen Soprankastraten. Aber man muss dessen geliebte Arie „L’amerò, sarò costante“ schon singen können. Mariño versucht es. Und betört mit seiner leichten Höhe, dem kindhellen Timbre. Dann aber kommt er doch ins Quietschen, Phrasen sacken weg, das Gehörte wirkt arg technisch gestückelt. Eine Virtuosen-, auch Kuriosennummer, aber nicht wirklich eine Erfüllung. Dafür mangelt es einfach an konstanter Technik. Sein Cherubino klingt nicht jünglingshaft, sondern kindlich greinend. Besser tönt Mariño – stets mit dem versierten Instrumentalunterfutter des Baseler La Cetra Barockorchesters unter Andrea Marcon – in Glucks eigener Sopranfassung des Orfeo oder in Mozarts „Mitridate, re di Ponto“. Licht und Schatten hingegen bei den Domenico-Cimarosa-Ausschnitten, verhaute Töne finden sich wieder beim ebenfalls modischen „schwarzen Mozart“ Joseph Bologne, von dem er als Weltpremiere zwei Arien aus „L’amant anonyme“ von 1781 in der Clutch hat.

Matthias Siehler, 28.05.2022


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