»What do you call one-hundred banjos at the bottom of the ocean? A good start.« Machen wir die Probe aufs Exempel und geben wir etwa halb so vielen Banjospielern die Chance, ihr so oft (auch von ihnen selbst) bewitzeltes Instrument zu bewundern. 100 fundierte, verschwenderisch reich bebilderte Seiten und zwei CDs mit sachkundig ausgewählten und kommentierten Stücken machen »Magic Banjo« (NoEthno/Galileo Music GMV016) zum perfekten Mittelding zwischen knappem Kompendium und überbordendem Wälzer. Was andere Instrumente von sich glauben machen, ist das Banjo wirklich: ein Weltmusikinstrument. Die Entstehungsgeschichte ist zwar eine Parade von Fragezeichen, doch dem Instrument, das von afrikanischen Sklaven in Amerika entwickelt wurde, aber auch europäische Bauelemente aufweist, stehen drei Kontinente Pate. Asien besitzt in der türkischen Cümbüs sogar einen veritablen Verwandten und mit der persischen Tar ein eigenständiges, vergleichbares Gegenstück. Verbreitet ist es überall auf der Welt, da die Grundstruktur – Laute mit fellbespanntem Korpus universell, ja archaisch ist. Bernhard Hanneken, der Leiter des Weltmusikfestivals TFF Rudolstadt, erzählt die Geschichte des Instrumentes, dessen Vorformen und deren Verwandte ab dem 16. Jahrhundert in der Karibik als Banza, Bangil, Banjee, Bonjaw und Banjar erscheinen, in den Südstaaten der USA Bandore, Banjer, Banshaw und ab 1750 endlich Banjo heißen. Die erste CD widmet sich dem »American Banjo« vom Jazzpionier Johnny St. Cyr und dem Sklavensohn Gus Cannon, der sein Banjo sogar mit einem Messer traktierte, um bestimmte Slide-Effekte zu erzielen, über Pete Seeger bis Béla Fleck und Joe Ayers, der rekonstruiert, wie es wohl vor 150 Jahren auf dem Congo Square zu New Orleans geklungen haben mag. Die zweite CD »World Banjo«, die nicht nur erwartete britische Klänge bietet, sondern selbst den Spuren des Instrumentes im Pazifik und im Indischen Ozean nachspürt, ist wirklich weltumspannend. Erhellend ist der Zusammenklang mit ähnlichen Instrumenten, etwa der japanischen Shamisen.
Kann man sich mit einer solchen, kurz gefassten Enzyklopädie dem Banjo noch nähern, so würde ich niemanden um die Aufgabe beneiden, ein vergleichbares, zugleich enzyklopädisches und anthologisches Vorgehen beim Gesang auszuprobieren. Das mit zwei CDs bestückte Digibook »Magic Voice« (NoEthno/Galileo Music GMV019) gibt auch den anthologischen Charakter auf (wo anfangen, wo aufhören?) und setzt stattdessen ganz auf die Wirkung eines atemberaubenden Mitschnitts des »Global Vocal Meeting«, einem Spitzentreffen von Vokalisten aus sechs Ländern, das 2000 in Lörrach initiiert, 2002 wieder in der süddeutschen Stadt aufgenommen wurde. Sudha Ragunathan brachte mit ihrer kultivierten Engelsstimme die Spiritualität der südindischen Musik ein und karnatische Instrumentalisten mit, die urwüchsige Mónika »Mitsou« Juhász Miczura repräsentierte mit herb-nasalem Timbre die Tradition der ungarischen Roma, während Corin Curschellas so volltönend wie auf Schweizer Bergen üblich, schon mal jodelnd, Schweizerisches, Rätoromanisches darbot. Mit Abdoulaye Diabate war ein kraftvoller Griot aus Mali vertreten, mit dem Trio Senge ein wohltönend polyfones Triumvirat aus dem afro-romanischen Madagaskar, während Rinde Eckert, ein experimentierfreudiger US-Amerikaner, mit allem Erdenklichen zwischen bluesigem Gitarrenspiel und archaisch-sakral anmutendem Gesang aufwartete. Jeder war berufen und befähigt, mit seinem Improvisationstalent in Lieder der anderen einzustimmen, das dann dank Gehör, Geschick und Gefühl auch so klang, als wär’s ein Stück von ihm.
Marcus A. Woelfle, 19.04.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2008
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