Startseite · Interview · Gefragt
RONDO: Unter Jazzfans hat Oldtime Jazz einen schlechten Ruf – auch deswegen, weil ihn viele Amateurbands schlecht spielen. Beeinträchtigt Sie dies?
Chris Hopkins: Es gibt in allen Bereichen Leute, die gut spielen, und welche, die nicht gut spielen – auch im modernen Jazz. Weil der Begriff »Oldtime Jazz« durch den Frühschoppenjazz belastet ist, sprechen wir lieber von »Classic Jazz«.
RONDO: Sie haben beide eine akademische Ausbildung ...
Bernd Lhotzky: ... die hilft. Es ist eine Grundvoraussetzung, dass man sein Instrument spielen kann.
Hopkins: Trotzdem ist sie nicht das Wichtigste. Entscheidend ist die Leidenschaft. Wir spielen keinen Stil nach, sondern entwickeln auf der historischen Basis unseren eigenen Klang. Dabei nützen wir sehr unterschiedliche Quellen – auch die Klassik. Bernd Lhotzky hat mit Dick Hyman sogar eine CD »Stridin’ the Classics« aufgenommen.
Lhotzky: Wobei das, was wir mit den Echoes of Swing machen, sehr speziell ist. Ich kenne weltweit kein Quartett, das ein vergleichbares Repertoire spielt und diese Fülle an Klang erreicht.
Hopkins: Was an jeder Musik begeistert, sind Kontraste, unterschiedliche Farben, Pausen, Luft, Gegensätze. Nehmen wir die Band von John Kirby. Vier Takte spielen die Bläser unisono, dann spielen sie dreistimmig mit rhythmisch prägnanten Geschichten. Es passiert immer etwas Unerwartetes.
Lhotzky: Oder Fats Waller ...
Hopkins: ... ein unglaublicher Pianist. Toll ist diese Spielfreude. Und Duke Ellington. Die Musik von Ellington und Billy Strayhorn ist auf allen Ebenen reichhaltig – harmonisch, rhythmisch, die Strukturen, die Formen. Gleichzeitig waren in der Band nur Top-Solisten. Ellington wird immer eine riesige Fundgrube sein.
RONDO: Miles Davis soll einmal die Frage, was gute Musik sei, mit dem Satz beantwortet haben: »It is high and low and fast and slow.«
Hopkins: Genau. Da spielt es keine Rolle, in welche stilistische Schublade man jemanden steckt. Auch Charlie Parker kommt aus dem Swing. Er spielt ein wunderbar swingendes Saxofon, wo die harmonischen Strukturen ein bisschen komplexer geworden sind. Bebop macht Spaß.
RONDO: Und der aktuelle Jazz? Das Spiel mit ungewöhnlichen Taktarten und Rhythmen, die Collagierungstechniken?
Lhotzky: Die krummen Taktarten sind dann am tollsten, wenn sie natürlich rüberkommen. Mir ist lange nicht aufgefallen, dass der zweite Satz in Tschaikowskis »Pathétique« ein Fünfer ist. Wie Brad Mehldau in »It Might As Well Be Spring« den Siebenachtel spielt, ist fantastisch.
Hopkins: Ich saß mal mit Dick Hyman im Auto. Er wechselte permanent den Sender im Radio, weil er immer was Neues hören will. Bei den Echoes of Swing ist es nicht ganz so schlimm. Bei unseren langen Autofahrten hat jeder aus den »Echoes« seinen iPod dabei – zusammen rund 50.000 Titel. Quer durch den Garten.
Werner Stiefele, 12.04.2014, RONDO Ausgabe 1 / 2009
„Als Karajan 1968 mit den Berliner Philharmonikern nach Leningrad kam, gab es einen Workshop, in […]
zum Artikel
Proben, Pleiten und Premieren: Höhepunkte in Oper und Konzert
Dafür umso mehr derselbe Klangkörper und der rhythmisch bewegliche **Yves Abel**, was Verdis […]
zum Artikel
Natürlich gibt es sie immer noch – die Talentscouts, die sofort zuschnappen, wenn ein junger […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Der spätbarocke Dichter Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) begründete seinen Ruhm durch die 1712 entstandene Passionsdichtung „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“. Mit dieser hochemotionalen Schrift war er so erfolgreich, dass gleich 13 zeitgenössische Komponisten diese vertonten, darunter Händel, Keiser, Mattheson und Stölzel. Auch Georg Philipp Telemann lernte den Text 1716 kennen und schrieb in seiner Autobiographie, dass „dessen Poesie von allen […] mehr