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Kann man so jung sein und schon so gelehrig? Man kann, wenn im Elternhaus vorwiegend disputiert wurde, wie man das, was in der Heiligen Schrift steht, denn auslegen könne. Wenn sowohl Vater als auch Mutter Theologen sind: gebildete Leute also. Und wenn der Worte Macht mächtiger scheint als die Wirkung der Klänge. David Theodor Schmidt, ein nachdenklicher junger Mensch von 26 Jahren, ist glücklich, dass sein Weg zur klassischen Musik so unbeschwert begann, wie er begann: mit Musik vorwiegend von Bach und ohne Druck. Er blieb verschont von dem, was er selbst die »Wunderkindphase « nennt. Mit sieben erst fing er an, Klavier zu spielen – »wie Siebenjährige das üblicherweise tun«. Erstaunlich genug, aber sein Klavierlehrer hörte es und hatte auf der Stelle eine Vision. Nach der ersten Stunde behauptete er, dieser Junge könne ein Großer werden. Sieben magere Jahre blieb der Mann ungehört. Höchstens zehn Minuten pro Tag sah man den vermeintlich Hochbegabten am Instrument. Dann aber folgte der Augenblick der Initiation. Bei einer Reise in die USA stand da plötzlich ein Flügel herum. Und mit einem Tastenschlag war die Faszination da.
Ein später Start also. Schmidt aber ist selbstbewusst genug, um die möglichen Mängel zu kompensieren. Wenn man ihn darauf hinweist, dass russische Pianisten besser ausgebildet seien, hebt er an zu einem kleinen Diskurs: »Technik ist zum einen ein großes Repertoire. Aber eigentlich ist Technik ein schöner Ton, eine Klangfarbe, ein gutes Legato. « Kurze Pause, dann wird es sophistisch: »Wenn Sie Ihre Gedanken verwirklichen können, dann haben Sie eine gute Technik. Wenn nicht, haben Sie eine schlechte Technik. Und wenn Sie nur wenige Gedanken haben, dann hilft Ihnen auch die Technik nichts.«
Wohlan, das ist gut gesagt. Aber auch begründet. Denn schon die erste Aufnahme Schmidts mit Werken von Bach, Schostakowitsch und Liszt bestach durch tiefen Sinn und enorme Sinnlichkeit. Und auch seine Auseinandersetzung mit den Werken seiner – neben Beethoven – weiteren Hausgötter Brahms, Schubert und Mendelssohn zeigt, über welch tiefes Klangempfinden dieser Pianist gebietet. In jedem Ton wird deutlich, was Schmidt meint, wenn er sagt, er wähle Musik danach aus, ob es ihm ein Verlangen sei, ein Bedürfnis, sie zu spielen. Die virtuose romantische Literatur weckt derlei Verlangen und Bedürfnis nicht in ihm. Diese Musik passe nicht zu seinem Denken und Fühlen, sagt Schmidt. David Theodor Schmidt ist seinem Herzen gefolgt, und hat sich fürs Authentische entschieden. »Ich möchte ich sein und ich möchte die Musik machen, die mich begeistert. Von der ich nebenbei glaube, dass ich sie besser spiele als die rein virtuose Musik, mit der man bei Wettbewerben erfolgreich sein kann.« Dem sei nicht widersprochen.
Jürgen Otten, 12.04.2014, RONDO Ausgabe 1 / 2009
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