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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Tschaikowskis „Pique Dame“ an der Bayerischen Staatsoper (hier: Grigorian, Ensemble) (c) Wilfried Hösl

Fanfare

Proben, Pleiten und Premieren

Höhepunkte in Oper und Konzert

Großer Tschaikowski-Bahnhof in München: Asmik Grigorian, Sopranstar der Stunde, singt auch dort in einer Neuinszenierung eine ihrer besten Rollen, die Lisa in „Pique Dame“. Und dann? Große Enttäuschung. Sie wirkt gelangweilt, spielt sich höchstens selbst als Naughty Girl; auch ihr bisweilen blechernes Singen offenbart vor allem routinierte Leidenschaft. So wie Violeta Urmana als Gräfin ohne jede welke Primadonnen-Grandezza.
Auf der Bühne findet dieses kontrastreich wie zeithistorisch kolorierte Klanggemälde aus dem alten St. Petersburg keinen Widerhall. Da ist alles nur dauerschwarz, dauerkunstvernebelt, ein offener, öder Raum, der die Stimmen verschluckt. Der australische Schauspielregisseur Benedict Andrews hat keine zündende Idee außer Russenmafia-Klischees und kann auch mit dem Chor nicht umgehen. Andrews interessiert nur der Wahnsinn Hermanns, der sich widerspiegelt in Videogroßaufnahmen, die Lisa zur eisigen Film-Noir-Sirene überhöhen. Gesungen wird er als Revolver fuchtelnder Lederjacken-Zuhälter vom stimmlich kämpfenden Brandon Jovanovich.
Dabei disponiert im Graben der Usbeke Aziz Shokhakimov durchaus brillant. Nur manchmal schleppt es. Und man wird vokal­üppig verwöhnt vom baritonpianozarten Boris Pinkhasovich (Jelezki) und der gutturalen Mezzo­sopranistin Victoria Karkacheva (Polina).

Mehr Spaß hat es uns da in Gera gemacht, wo eine gelungene Instant-Operette aus der Strauß-Titeltütensuppe kreiert wurde: „Redoute in Reuß“ – ganz nach dem Vorbild der 1899er Retortenoperette „Wiener Blut“. Im Zug der üblich-albernen Intrigenhandlung tritt auch ein Premierminister von Reuß-Greiz-Schleiz samt Gesandten Graf Zedlau nebst Gattin auf. In Gera hat man jetzt neuerlich in den StraußKatalog gelangt und die Vorgeschichte serviert.
Das thüringische Minifürstentum gab es bis 1918 wirklich, zeitweise sogar in fünffacher Unterteilung. Zuletzt haben die Reußens freilich durch den Möchtegernreichsbürger Heinrich XIII. auf sich aufmerksam gemacht. Acht Heinriche tummeln sich auf der hübsch altmodisch wie ein Papptheater barockkulissengestaffelten Bühne – und sogar ein Mann als Lola Montez.
Die Wiener Dramaturgin Sophie Jira und der Komponist Olav Kröger haben ganze, feinperlig sektschäumende Soap-Operetta-Arbeit für dieses Prequel zum „Wiener Blut“ geleistet. Da sitzen die Witze (gern auch deutsch-deutsch) und schmiegen sich die Melodien als sei alles original. Aus den Seelenunterschieden zwischen schön im Schmäh schnarrenden Wienern und etwas langsameren Ostthüringern lassen sich zudem viele Pointenfunken schlagen.

Und noch zwei Konzerte in Berlin haben wir besucht. Beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin griff Frankreichs Saiten-Primadonna Xavier de Maistre in seine Goldharfe, um das neue Konzert des schwer kranken Péter Eötvös in Deutschland mit viel Allüre erstaufzuführen. Eine brillant orchestrierte, virtuose Zurschaustellung aller zupfenden, auch schlagenden Möglichkeiten. Am Pult assistierte der seine Komponistenkarriere offenbar ziemlich an den berühmten Nagel gehängt habende Matthias Pintscher solide schmiegsam.
Und weil der 200. Geburtstag Anton Bruckners droht, hat Christian Thielemann auswendig dirigierend bei seinem jährlichen Besuch bei den Berliner Philharmonikern dessen Jugendwerke, die Studiensinfonie in f-Moll und die ehemals als Nullte abgewertete (eigentlich 2. Sinfonie) in d-Moll neu besichtigt. Ein bisschen viel Klangschwarzbrot, zumal das erste Stück echt dröge ist, auch wenn es hier hurtig, aber melodienfrei herunterschnurrte. Das ­d-Moll-Ding hat immerhin Geniemomente im Big-B-Style, aber eben auch viele ins Nirgendwo ratternde Leerstellen. Zum Jubiläum war das ok, vor allem in dieser freundlich sportiv gebotenen Qualität. Aber bitte dann erst wieder zum 250.!

Manuel Brug, 30.03.2024, RONDO Ausgabe 2 / 2024



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