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Asmik Grigorian mit Ensemble (c) Monika Rittershaus
Es gibt, wegen des 100. Puccini-Todestags, eine Häufung von „Turandot“-Neuinszenierungen. So auch an der Wiener Staatsoper, als symbolistisch reduziertes, aber stargespicktes Kammerspiel, als Geschichte eines frühkindlichen Missbrauchs. Bei Regisseur Claus Guth verpuppt sich die gegenüber ihren Bewerbern tödlich grausame Prinzessin Turandot im Kinderzimmer, will sich der Welt nicht stellen. Das hat die minimalistische Couture-Anmutung von Nordkorea im Pistazien-Prada-Look.
Es ist freilich, wenngleich sehr genau gearbeitet, in seiner diktatorischen Unbedingtheit versus individuelles Glück, die auch vor der Tochter des Himmels nicht haltmacht, wenig originell, genauso wenig im Eskapismus-Happy-End, wenn sich das unversehens glückliche Paar durch eine Schranktür auf den Weg in die Freiheit macht.
Trotzdem: Diese eigenwillige „Turandot“ strahlt dank ihrer exzellent besetzten Protagonisten besonderen Puccini-Zauber aus. Zwar sind die in witwenschwarz sterbende, sich für Kalaf aufopfernde Liù (Kristina Mkhitaryan), sein Vater Timur (Dan Paul Dimitrescu) und Turandots Vater Altoum (Jörg Schneider) nur zweite Geigen, der präzise, gleichgeschlechtlich staffierte Chor ist reglos unter oder unsichtbar hinter die Szene verbannt. Marco Armiliato handhabt das Staatsopernorchester oft sehr laut und nicht weniger pauschal.
Aber Jonas Kaufmann und Asmik Grigorian sind nicht nur beides Rollendebütanten, sie werden ihrem Sternestatus auf sehr besondere Weise gerecht. Er spielt schon länger lieber den gebrochenen Helden, hält in seinem Gehrock erstaunt inne, tastet sich mit gaumigen, baritonal dunklen Noten durch die modern geschärfte Partitur. Er gibt dem Kalaf als die Rätseltürschwelle gefasst überwindendem, von dem Paradox Turandots fasziniertem Mann seltene Plastizität und Tiefe. Die schwindenden Vokalmittel sind klug in Form gebracht, die Arie strahlt dunkel nachhaltig, die Rätselduellszene hat verhaltene Intensität. Weil er in Grigorian ein wunderfeines, sensibles Gegenüber hat, das die störrische Rolle singt, ja gleißend schön wie lustvoll ihre Spitzentöne attackiert, wie somnambul den Text ausdeutet. Eine ideale Spielpartnerin.
Manuel Brug, 17.02.2024, RONDO Ausgabe 1 / 2024
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