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27.04. - 03.05.2024

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am 04.05.2024



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Von den Vier-Kanal-Bändern analog auf Vinyl: Tonmeister Rainer Maillard von den Emil Berliner Studios zeichnet klanglich für die Original-Source-Serie verantwortlich (c) Emil Berliner Studios

125 Jahre Deutsche Grammophon

Tradition verpflichtet

Zum Jubiläum feiert das ehrwürdige Label mit bekannten Stars und neuen Gesichtern musikalische Sternstuden aus 125 Jahren Aufnahme-Geschichte.

Es wäre müßig, all jene Referenzaufnahmen, Ersteinspielungen und preisgekrönten Alben aufzuzählen, die sich im Katalog der Deutschen Grammophon finden. Denn das markante gelbe Design mit der Tulpenkrone, das seit dem Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg die Veröffentlichungen des Traditionshauses ziert, gilt schon lange als Gütesiegel. Mit seiner 125-jährigen Geschichte ist die am 6. Dezember 1898 von den Brüdern Emil und Joseph Berliner gegründete Marke das älteste heute noch aktive Musiklabel. Seit 1998 als Teil der Universal Music Group, die das reichhaltige künstlerische Erbe weiterführt.
Die anhaltende Erfolgsgeschichte führt DG-Präsident Clemens Trautmann vor allem darauf zurück, dass man sich neuen Entwicklungen nie verschlossen, sondern diese oft sogar maßgeblich mit vorangetrieben hat. Erwähnt sei etwa der Technik-Freak Herbert von Karajan. Seine Einspielung der „Alpensinfonie“ markierte 1983 die erste Klassik-Veröffentlichung auf CD. Und auch bei der Einführung von Dolby Atmos standen Karajan und die DG Pate, mit einem bereits 2017 erstmals in 3D abgemischten Beethoven-Sinfonienzyklus.

Ein digitales Konzertpodium

Selbst wenn das Musikgeschäft inzwischen noch schneller und digitaler geworden ist, stehen Innovation und Tradition weiter gleichermaßen im Fokus. Die rund 25 000 Schallplatten, die bereits im Gründungsjahr täglich (!) gepresst wurden, lassen sich heute nicht minder umfangreich in Zugriffszahlen auf die hauseigene Streaming-Plattform STAGE+ umrechnen. „Das digitale Live-Erlebnis und der reiche Katalog in hochauflösenden Formaten sind die logische Weiterführung unseres Engagements, der Klassikgemeinde immer die neuesten und eindrucksvollsten Musikerlebnisse zu ermöglichen“, wie Trautmann erläutert. „Wir spannen über 125 Jahre den Bogen zu den Anfängen, als Joseph und Emil Berliner mit dem von ihnen patentierten Grammofon kreative Inhalte und Technologie zusammengeführt haben, indem sie Künstler wie Enrico Caruso oder Fjodor Schaljapin erstmals auf Tonträger bannten.“ Zwei Opernlegenden, deren Nachruhm durch die damals angefertigten Schellacks gesichert wurde.
Hieran anknüpfend bietet STAGE+ nicht nur exklusiven Live-Content, sondern ebenso Zugriff auf das umfangreiche Archiv des Labels. „Die DG steht für eine große Bandbreite, der wir uns bis heute verpflichtet fühlen.“ Was Trautmann nicht nur auf Tonträgerformate und digitale Verbreitungswege bezieht. Auch die Diversität unterschiedlicher Genres und Geografien soll mit einem internationalen Portfolio von Musikschaffenden abgedeckt werden. „Man muss heute mehr denn je global denken. Wir pflegen unter anderem wichtige künstlerische Beziehungen zu den großen US-Klangkörpern wie auch nach Asien, wo Weltbürger und -stars wie Lang Lang und Joe Hisaishi ihre Wurzeln haben, oder nun auch der Sieger des Chopin-Wettbewerbs 2021, Bruce Liu – ein Kosmopolit mit chinesischen Eltern, der in Paris geboren wurde und in Kanada aufgewachsen ist.“
Ebenso wichtig ist für den DG-Präsidenten aber, dass der Fokus von jeher keineswegs nur auf den großen Interpretinnen und Interpreten lag. „Wir waren immer genauso das Label der Komponisten. Mit Namen wie Berio, Kagel und Stockhausen in unserer Avantgarde-Serie, oder mit Pionieren der Minimal Music wie Philip Glass und Steve Reich. Diese Tradition setzt sich jetzt mit Max Richter oder Hildur Guðnadóttir fort“ – die dazu beitragen, dass die Grenzen zwischen E und U durchlässiger werden und es ganz selbstverständlich wirkt, wenn Anne-Sophie Mutter ein Violinkonzert von John Williams aufnimmt. Oder wenn die im DG-Look erscheinenden Soundtracks von „Tár“ und „Maestro“ die historische Realität von Abbado und Bernstein mit der cineastischen Fiktion von Cate Blanchett und Bradley Cooper verschmelzen lassen.

Überraschungserfolg mit analogen Schätzen

Obwohl der Blick also weiter klar in die Zukunft gerichtet bleibt, hält man auch das künstlerische Erbe in Ehren. Verantwortlich für die Archiv-Ausgrabung ist Johannes Gleim, der die „Original Source“-Veröffentlichungen betreut. Legendäre Aufnahmen, die rein analog aufbereitet neu auf Vinyl erscheinen und deren erste Auflage sich als echter Verkaufsschlager entpuppte. „Es ist natürlich eine Nische. Aber eine, die immer mehr Bedeutung gewinnt. Auf dem US-Markt, der sich viel mehr im Digitalen abspielt, übersteigen die Vinyl-Verkäufe sogar teilweise die CDs.“ Laut Gleim treffen sich hier zwei Zielgruppen. Die Älteren, die das Medium noch aus ihrer Jugend kennen, aber auch vermehrt Jüngere, die den warmen Vinyl-Klang für sich entdecken. Indem sie nach der Reizüberflutung, der wir täglich ausgesetzt sind, das Musikerlebnis wieder gebührend zelebrieren. „Da sind Menschen dabei, die zuvor nicht unbedingt klassikaffin waren, aber von den technischen Aspekten und dem Klangerlebnis so beeindruckt sind, dass sie darüber diese Musik kennenlernen.“ Die „Original Source“-Serie konzentriert sich dabei auf Produktionen der 1970er, die einst im innovativen Vier-Kanal-Verfahren aufgenommen wurden. „Die Hardware für zu Hause gab es damals gar nicht, aber die DG war schon immer am neuesten technischen Stand interessiert und hat lange quadrofon aufgenommen. Für die Neuveröffentlichungen gehen wir jetzt zu den Originalbändern zurück. Wofür unser Tonmeister Rainer Maillard von den Emil Berliner Studios extra ein neues Mischpult bauen musste. Da steckt viel Arbeit drin. Umso mehr freut es uns, dass die Serie bei der Kritik und Audiophilen so eingeschlagen hat.“
Vinyl-Liebhaber müssen also vorerst nicht bangen. Wie Clemens Trautmann bestätigt, der auch künftig alte und neue Klassik-Fans gleichermaßen abholen will. „Nach Namen wie Argerich, Barenboim, Pollini oder Zimerman, die als eine Art goldene Generation das Gelblabel seit einem halben Jahrhundert prägen, sind inzwischen intensive Beziehungen zu einer neuen Pianisten-Generation gewachsen. Kaum zu glauben, aber auch mit Yuja Wang, Alice Sara Ott, Seong-Jin Cho, Jan Lisiecki, Víkingur Ólafsson oder Daniil Trifonov arbeiten wir schon rund ein Jahrzehnt zusammen.“ Oder mit frisch unter Vertrag genommenen Talenten wie der Geigerin María Dueñas, dem Pianisten Julius Asal oder den Dirigier-Shootingstars Tarmo Peltokoski und Joana Mallwitz – die übrigens mit ihrem Konzerthausorchester das Jubiläumskonzert in Berlin dirigiert. „Stolz bin ich, dass wir es geschafft haben, für diesen Termin viele junge DG-Künstlerinnen und Künstler wie Bomsori, Rafał Blechacz, Bruce Liu, Kian Soltani und André Schuen zu versammeln. Es ist fast wie eine Glaskugel, in die wir schauen und uns fragen, wer wohl in fünfundzwanzig Jahren diejenigen sein werden, die das Musikleben prägen. Und diese Faszination wollen wir auch mit den Fans teilen, die auf STAGE+ weltweit live dabei sein können.“

www.dg-125.com
www.stage-plus.com
www.the-original-source.com

Aller guten Dinge sind vier!

Auf der Suche nach dem perfekten Klang begann die DG früh damit, Aufnahmen im Vier-Kanal-Verfahren zu produzieren. Da es für diesen Vorläufer des Dolby Surround jedoch keine Abspielgeräte gab, wurden die Alben für ihre erste Veröffentlichung auf Stereo-Ton heruntergemischt, der auch beim Transfer auf CD erhalten blieb. Wobei jede Etappe des Schnitt-Prozesses die Qualität leicht minderte. Der Rückgriff auf die Originalbänder erlaubt es nun, die Aufnahmen der Original-Source-Reihe in einem bis dato nie gehörten authentischen Klangbild zu erleben. Mit einer räumlichen Präsenz, die einen vergessen lässt, dass diese Tondokumente tatsächlich vor 50 Jahren aufgezeichnet wurden.

Tobias Hell, 25.11.2023, RONDO Ausgabe 6 / 2023



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