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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



Startseite · Oper & Konzert · Café Imperial

Le grand macabre (c) Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Café Imperial

Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer

György Ligetis Oper „Le grand macabre“ ist kein Spätzünder, sondern wird aufgrund von Quietschbuntheit selbst gern an Stadttheatern gespielt. Wenn die Wiener Staatsoper, obwohl man den Komponisten als „österreich-ungarisch“ für sich reklamiert, damit bis zu dessen 100. Geburtstag wartete, spricht das für Trägheit. Der Tod kommt auf die Erde, wird aber von viel versoffenem Erden-Prunk plattgemacht. Regisseur Jan Lauwers lässt dazu tanzen; was in besten Momenten an das Hamburger Fernsehballett der 70er Jahre erinnert (wo das Werk entstand). Alte Recken wie Gerhard Siegel und Wolfgang Bankl tragen Faschingskostüme. Sarah Aristidou als Polizeichefin vollführt den virtuosesten Koloratur-Schluckauf der Musikgeschichte. Absolut fantastisch: Georg Nigl als höhnender, hüpfender Tod Nekrotzar. Allergrößter Jubel. Das hätte man eher haben können.

Im Café Imperial, dem vielleicht nicht auratischen, aber hochmögendsten Caféhaus von Wien, denken wir heute über das Geheimnis nach. „Das wahre Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare“, sagt Oscar Wilde. Man müsse immer etwas in der Hinterhand behalten, und nie zu viel zeigen, so sagen viele Künstler. Sonst verrät man das eigene Geheimnis. Dies Mysteriöse, Numinose, es bestand bei vielen auratischen Künstlern in einem wirklichen, handfesten Geheimnis. Zum Beispiel in klinisch manifesten, vor der Welt kunstvoll verborgenen Psychosen. Der legendäre Alexander Girardi landete privat einmal sogar im Irrenhaus. Die berühmt-berüchtigte Florence Foster Jenkins betörte trotz falscher Töne die Welt: Ihr wahres, zugleich triviales Geheimnis bestand darin, dass sie – unter der Perücke – haarlos war. Gar so genau, müssen wir zugeben, wollten wir es gar nicht wissen. Künstler, hütet Euer Geheimnis gut! – An der Wiener Staatsoper will Regisseur Claus Guth erkunden, was in der größten Rätsel-Oper von allen, Puccinis „Turandot“, die Protagonistin vor der Welt verbirgt – und selbst fürchtet. Und warum sie andere das Fürchten lehrt (mit Asmik Grigorian und Jonas Kaufmann, ab 7.12.). An der Volksoper untersucht man den Eskapismus der Operette schlechthin in Gestalt der Uraufführung „Lass uns die Welt vergessen – Volksoper 1938“ (mit Sebastian Reinthaller, Ulrike Steinsky, Regula Rosin etc., ab 14.12.). Danach wagt sich Hausherrin Lotte de Beer an „West Side Story“ (ab 27.1.). Noch viel schwieriger ist eigentlich Leonard Bernsteins „Candide“. Dem stellt sich Lydia Steier am Theater an der Wien im Museumsquartier (mit Matthew Newlin, ab 17.1.). Im Musikverein gibt es etliche Werke von Georg Friedrich Haas, sowohl beim RSO Wien (24.11., plus Gespräch) wie auch bei den Wiener Symphonikern unter Pablo Heras-Casado („Joshua Tree“, 25./26.11.). Martha Argerich tritt zusammen mit Janine Jansen und Mischa Maisky auf (3.12.). Christian Thielemann dirigiert Brahms bei den Philharmonikern (7.-10. & 13.12., Solist: Igor Levit). Und anschließend das Neujahrskonzert. Andrè Schuen singt Mahler und Schubert (16.12.). Riccardo Muti führt noch einmal das Chicago Symphony Orchestra aus (22./23.1.). Das Mahler Chamber Orchestra hat Yuja Wang bei sich (27.1.). Und Evgeny Kissin spielt solo (1.2.). – Im Wiener Konzerthaus dirigiert Ádám Fischer die Wiener Philharmoniker bei Puccinis „Messa da Gloria“ (28.11.). Das Hagen Quartett spielt die letzten Beethoven-Quartette (3.12.). Daniil Trifonov gibt Rameau, Mozart und die „Hammerklaviersonate“ (4.12.). Fatma Said singt Lieder (11.1.), Ale­xandre Tharaud spielt Französisches (14.1.). Und Elīna Garanča bietet schlicht „The Best Of Elīna Garanča“ (23.1.). Ober, zahlen!

Kai Luehrs-Kaiser, 02.12.2023, RONDO Ausgabe 6 / 2023



Kommentare

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Gabriele
Unbedingt, eine unschlagbare köstliche Erfahrung , selbst wenn ich persönlich nur 'vom Ohr aus' von der ORF - Aufzeichnung, gesendet vom DLF-Kultur hier in Berlin am 18.11. in seiner Opernreihe , ausgehen kann, ' d' accord ' fantastisch, urkomisch ganz großartig konkret auf dem Niveau 'dem Tod ein Schnippchen geschlagen' mit den ' Irrenhäusern' dieser Welt, die ich manchmal, in ihren und meinen 'Verrücktheiten' eher außerhalb Psychatrischer Einrichtungen vermute. Besonders, wenn nicht nur- wie hier aus Erfahrungen zu beachten empfohlen, nicht ALLES gezeigt oder gegeben werden sollte , sondern auch nicht ALLES Faszinierende verschlungen oder gleichzeitig 'mitgenommen ' werden sollte, weil die Gefahr besteht, dass ES zum 'Stau' gerät und DANN zu 'absurdesten ' und im Nichtfiktiven gar nicht lustigen 'Ausschlägen' , wenn auch ungewollten Graumsamkeiten für andere kommen könnte. Wie wunderbar da tröstlich durch den Ligeti lachend und weinend ganz mit sich und der Erde versöhnt zu bleiben. Ich habe die bejubelte Barrie Kosky Inszenierung in Berlin verpasst. Für eine weniger flexible Hörerin des RBBKulturradios freue ich mich durch Kai Luehrs - Kaisers 'Reiselust' in seiner ' Meine Musik' - Sendung mit ' Wiener Ware ' aus erster Hand beglückt zu werden. Und Atmosphäre auch , wenn er gerade mit Oscar Wilde im Gepäck und die Zeitungen für den Moment ' links liegen lassend ' über das scheinbar Offensichtliche im Geheimen anregend sinniert. Für mich persönlich , so mit etlichem ' Brüten ' , kommt da leider allein NISCHT. : -) Vielleicht außer ' Ober zahlen'


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