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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Dialog mit Rücksichtnahme: Das Lux Nova Duo spielt Neue Musik für Akkordeon und Gitarre (c) Vera Drebusch

Lux Nova Duo

Aparte Kombination

Die Akkordeonistin Lydia Schmidl und der Gitarrist Jorge Paz Verastegui spielen Zeitgenössisches mit Kammerorchester.

Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung des Grammy-Preisträgers Eddie Mora hat unter dem beredten Titel „Transcend“ Werke von Leo Brouwer, Sascha Lino Lemke, Eddie Mora und Hector Docx erstmalig aufgenommen. Das Orchester begleitet zwei Solisten, die deutsche Akkordeonistin Lydia Schmidl und Gitarrist Jorge Paz Verastegui, die sich als Lux Nova Duo zusammengefunden haben. Das Duo ist in Hamburg beheimatet und veranstaltet dort seit mehr als sechs Jahren sein eigenes Festival „Hamburg Dialogues“. In Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Neue Musik Hamburg” und dem „Instituto Cervantes” veranstalten sie eine eine Reihe von Gesprächskonzerten mit zeitgenössischer Musik. Mit dem kubanischen Komponisten und Gitarristen Leo Brouwer verbindet das Lux Nova Duo eine besondere enge Beziehung. Brouwer schrieb für das Duo „Variaciones concertantes nach Beethoven“, das bereits 2020 in der Hamburger Elbphilharmonie uraufgeführt wurde. „Bomarzos Tales“ schrieb Leo Brouwer eigens für das Album „Transcend“ um. Es war ursprünglich für Violine, Gitarre und Streichorchester geplant und trug den Titel „Hommagio a Paganini“. Die Einspielung überrascht mit aparten Klang-Konstellationen, teils sehr eingängig musikantischen, aber auch schroffen, experimentellen Passagen. Per Zoom-Call erzählt Lydia Schmidl von ihrer exotischen Duo-Variante.

RONDO: Wie sind Sie auf die Kombination von Akkordeon und Gitarre gekommen?
Lydia Schmidl: Das war ein privater Grund: Ich habe in Barcelona an der Musikhochschule studiert und mich mit einem Kommilitonen befreundet, der Gitarre spielt. Wir dachten uns: Akkordeon und Gitarre, das wäre doch mal toll! Dann haben wir schnell gemerkt: Es gibt ja kaum Literatur für diese Kombination!

Und dann haben sie gedacht: Dann sorgen wir eben selbst dafür? Ja, mit Bearbeitungen und Kompositionsaufträgen. Das geht jetzt ungefähr schon zehn Jahre so, aber wir haben uns inzwischen verlagert von Barcelona nach Hamburg.

Was ist das besonders Reizvolle der Kombination, auf die man von allein nicht unbedingt kommen würde? Zum einen ist das Ungewöhnliche an sich schon reizvoll. Außerdem kann das Akkordeon ebenfalls wie die Gitarre, sehr leise Töne spielen. Der Kontrast zwischen den Staccato-Tönen der Gitarre und den langen Tönen des Akkordeons ist toll. Das Akkordeon kann die Gitarre sozusagen verlängern …

Beide Instrumente haben auch eine folkloristische Tradition, man denkt an Tango, französische Chansons und Flamenco, aber auch an Avantgarde? Auf dieser CD widmen wir uns der puren Avantgarde, die Wurzeln in der Tradition werden hier weniger hörbar als auf anderen Einspielungen von uns. Lediglich Leo Brouwers und Eddie Moras Stück „Lux Nova“ lässt stellenweise ein bisschen südamerikanische Folklore einfließen, aber nur ein bisschen.

Wie kommen Sie an die Komponisten heran, Werke von Akkordeon und Gitarre hat wohl kaum einer in der Schublade? Wir hören ganz viel Musik, und wenn uns etwas besonders gefällt, sprechen wir den Komponisten einfach an! Es kann aber auch andersherum passieren, dass die Komponisten uns für ein Projekt ansprechen. Leo Brouwer stellte uns zum Beispiel kurzfristig das Stück „Bomarzos Tales“ zur Verfügung, als er von unser CD-Planung hörte.

Worauf muss man achten als Komponist für diese Kombination? Vermutlich auf die Balance? Ja, die Balance ist enorm wichtig, es sollten nicht zu volle Klänge für das Akkordeon sein, dann muss man unter Umständen ein paar Töne rausnehmen oder kürzen, damit die Gitarre genug Raum hat. Auch bei den Registern muss man überlegen, welche Tonhöhen kombinierbar sind.

Klanglich ist das Akkordeon überlegen? Ja, wenn man möchte, kann man sehr laut spielen! Die Gitarre besticht hingegen mit ihrer wunderbaren Klangfarbe.

Dann ist das ein Dialog mit Rücksichtnahmen? Auf jeden Fall, man muss den anderen immer mitdenken.

Glauben Sie, dass die Möglichkeiten dieser Kombination irgendwann ausgeschöpft sind? Nein, die Komponisten sind so kreativ und haben so viele Ideen, es geht in alle Richtungen. Hector Docx setzt etwa melodisches Material ein, welches an Elektronische Musik erinnert, die ein bisschen populär klingt. Dieser Kombination sind keine Grenzen gesetzt.

Die Stücke auf der CD sind vom Umfang sehr unterschiedlich, es gibt sehr kurze, aber auch solche von epischer Länge. Hatten die Komponisten freie Hand? Es gibt so ungefähre Angaben zur Länge, aber nicht genau auf die Sekunde. Die Stücke sind ja primär für unser Festival gedacht, mit dem wir Neue Musik dem Publikum nahebringen wollen. Wir wollen bewusst keine kleine Elite, sondern ein breiteres Publikum ansprechen. Wir moderieren die Konzerte auch, das ist uns ganz wichtig. Kleinere Sätze wie der von Hector Docx, etwas Kurzweiligeres sind dafür ideal.

Wie kamen Sie eigentlich zum Akkordeon, haben Sie zuerst Klavier gespielt? Nein, direkt und immer Akkordeon, ich bin eine sehr treue Seele.

Was war die Initialzündung? Ich kannte das Instrument aus der Familie, von der Hausmusik. Ich komme ursprünglich nicht aus der Klassik. Ich fand das Akkordeon sofort toll.

Machen Sie heute auch Unterhaltungsmusik? Eigentlich nicht. Ich habe mich davon ein bisschen distanziert. Das ist einfach nicht das, was meine Seele aufblühen lässt.

Gibt es Nachahmer ihrer Kombination von Akkordeon und Gitarre? Wir sind sicher nicht das einzige Duo dieser Art, aber wir verfolgen das intensiver als andere.

Wie viele Werke sind inzwischen in Ihrem Auftrag entstanden? Zwischen 40 und 50.

Neu erschienen:

Leo Brouwer, Sascha Lino Lemke, Eddie Mora, Hector Docx

Transcend

Lux Nova Duo, Marcia Lemke-Kern, Württembergisches Kammerorchester Heilbronn, Eddie Mora

Genuin/Note 1

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Regine Müller, 02.09.2023, Online-Artikel



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