Startseite · Interview · Gefragt
(c) Maike Helbig
Mit Joseph Haydn kam Matthias Kirschnereit als Kind in Afrika in Berührung. Der Sohn eines nach Namibia entsandten Pastors wuchs nicht nur mit der Kirchenorgel, sondern auch mit Hausmusik auf. „Zu meinem frühen Repertoire gehörte eine Haydn-Klaviersonate in D-Dur“, erinnert er sich. Mit 14 Jahren ging er zum Studium nach Deutschland zurück, um – wie er selbst sagt – auf den „allerletzten Zug für eine Pianistenkarriere aufzuspringen“.
Kirschnereit hat sich seither nicht nur mit klassisch-romantischem Kernrepertoire, sondern auch mit pianistischen Raritäten einen Namen gemacht. Für die Welt-Ersteinspielung des rekonstruierten Klavierkonzerts in e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy erhielt er einen ECHO Klassik-Preis. Erst spät vertiefte er sich in Haydns Konzerte für Tasteninstrumente, die er jetzt mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn aufgenommen hat. Wie einst auch Haydn leitete er das Orchester vom Klavier aus.
Im Œuvre des Komponisten führen diese Werke eher ein Schattendasein. Denn im Gegensatz zu Mozart oder Beethoven betrachtete Haydn Pianisten nicht als Virtuosen. Auch Kirschnereit kannte lange Zeit nur das berühmte D-Dur-Konzert Hob.XVIII:11 mit dem feurigen Finalsatz „Rondo all’Ungherese“. Die neun Konzerte, die Haydn inzwischen zweifelsfrei zugeschrieben werden, sind für den in Hamburg lebenden Pianisten eine wahre Fundgrube. „In dieser Musik stecken Überraschungsmomente und viel Humor“, schwärmt er. „Ich erkenne darin eine große innere Freiheit, die sich in kühnen harmonischen Wendungen ausdrückt.“ Nicht zufällig stehen all diese Konzerte in Dur-Tonarten. „Haydn war mit sich und der Welt vollkommen im Reinen. Leider wird er deshalb oft unterschätzt. Man unterstellt ihm, dass es seinen Werken an Tiefe fehlt, weil keine dunklen Mächte heraufbeschworen werden. Von leicht konsumierbarer Hintergrundmusik sind sie jedoch meilenweit entfernt. “
Die ursprünglich für Cembalo, Orgel oder Hammerklavier geschriebenen Konzerte auf einem Steinway-Flügel zu spielen, sieht Kirschnereit als spannende Herausforderung. „Das moderne Instrumentarium ähnelt für mich einem Chamäleon. Ich versuche in meine Interpretationen viele Farben hineinzubringen, indem ich die anderen Tasteninstrumente mitunter imitiere. Lebendiges Musizieren ist mein wichtigstes Anliegen.“ Bei dem C-Dur-Konzert Hob.XVIII:1, das für die Orgel komponiert wurde, versuchte er die Töne auf dem Flügel teils durch Triller zu verlängern. In Finalsätzen, die er mit dem Cembalo assoziiert, bemühte er sich um eine besonders freche und spritzige Artikulation.
Die nicht überlieferten Kadenzen hat Kirschnereit für diese Aufnahme selbst geschrieben. „Ich wollte mit meinem eigenen musikalischen Vokabular arbeiten. Hier und da habe ich aber auch ein paar Bezüge zu Mozart eingefügt. In drei Kadenzen zitiere ich außerdem aus anderen Klavierwerken von Haydn – mit einem Augenzwinkern, das ihm sicherlich gefallen hätte. Ich verrate nicht, an welchen Stellen. Das sollen die Hörerinnen und Hörer bei einer detektivischen Suche allein herausfinden.“
Corina Kolbe, 03.09.2022, RONDO Ausgabe 4 / 2022
Schweigen ist Gold
Die Unterstützung des Krim-Referendums hat Gergiev viel böses Blut eingehandelt. Die Forderung […]
zum Artikel
Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne
Dem exilgriechischen Dirigenten Teodor Currentzis (46) geht sein öffentliches Bild auf die Nerven. […]
zum Artikel
Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, die Liebe zum Komponisten ist ihnen gemein: So klingen […]
zum Artikel
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Alexander Skrjabins frühe Werke sind in ihrer Tonsprache noch stark von Chopin und Liszt beeinflusst. Die Préludes op. 13, zeigen deutliche Bezüge zu Chopin, aber auch eine visionäre Originalität, die seine zukünftige Modernität vorwegnimmt. In der berühmten Étude in cis-Moll hört man komplexe Harmonien, während die epische Leidenschaft der Fantasie in h-Moll bereits den kompositorischen Fortschritt andeutet. Die italienische Pianistin Daniela Roma hat in ihrem Heimatland und den […] mehr