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(c) ECM Records
Es war eine wunderbare Reise, und ich bin froh, dass ich sie noch einmal unternommen habe. Man ist als Geiger dann wieder ganz bei sich.“ Er sagt das ganz schlicht und ruhig, so wie er auch sonst ist. Aber man spürt, dass es für Thomas Zehetmair durchaus etwas Besonderes war, noch einmal zu den Wurzeln eines jeden Violinvirtuosen zurückkehren zu können – zu den sechs Solo-Sonaten und -Partiten von Johann Sebastian Bach. „Ich wurde vor allem immer wieder gefragt, ob ich sie nicht ein zweites Mal einspielen würde, nachdem ich mich auch mit den Solowerken von Paganini und Ysaÿe so ausführlich befasst habe. Und natürlich wollte ich das.“
58 Jahre zählt Thomas Zehetmair jetzt, und längst hat er sich auch von einem hochgeschätzten Geiger zu einem gesuchten, anerkannten Dirigenten entwickelt. Gegenwärtig steht er seit 2015 dem Musikkollegium Winterthur vor, er ist Artistic Partner des Saint Paul Chamber Orchestra und Conductor Laureate bei der Royal Northern Sinfonia, die er von 2002 bis 2014 geleitet hat und bei der er 2004 mit „The Sage“ in Gateshead, am Ufer des Tyne, einen längst nicht nur in England ikonischen, von Norman Foster entworfenen Konzertsaal einweihen durfte. Seit diesem Herbst startet er mit viel Enthusiasmus als neuer Chefdirigent des Stuttgarter Kammerorchesters durch.
Davor hat er sich aber noch einmal extraviel Zeit und Muße genommen, um in der sehr besonderen, durchaus meditativen Stimmung der Vorarlberger Propstei St. Gerold „zu den Müttern“ zurückzukehren, bzw. in diesem Fall zum Vater, zu Johann Sebastian Bach. 1982 hat er diese 12 magischen Werke schon einmal eingespielt, da war der äußerlich ruhige, aber sehr intensive Salzburger gerade mal 21 Jahre alt. „Das war früh“, erinnert er sich, „aber ich war gut vorbereitet. Ich habe sehr viel von meinen Eltern gelernt, die beide in der Camerata spielten. Dann sollte ich damit für Salvatore Accardo einspringen und habe mich intensiv mit Nikolaus Harnoncourt dafür präpariert. An diese Zeit denke ich heute noch sehr gern, wie an all die anderen großartigen Konzerterfahrungen, die ich hinterher mit ihm machen durfte.“
Thomas Zehetmair hat einen großen Plattenkatalog vorzuweisen. Die Hauptsache entstand zunächst für die Telefunken, für Philips und die EMI, aber auch Berlin Classics folgte. Seit vielen Jahren ist der sehr konsequente, völlig uneitel wirkende Künstler nun seinem Münchner Edel-Label verbunden; was mit schönen, klugen, immer besonderen Projekten sein Profil und auch das der Klangschmiede geschärft hat.
Und jetzt ist es ganz puristisch – Bach: Das erste Mal hat er auf einer modernen Geige gespielt. Diesmal waren es, ganz ohne Schulterstütze, nackt und direkt, zwei historische Instrumente. Die Tiroler Geige von 1685, die einem Freund gehört, faszinierte ihn durch ihren Klang, sie findet in den Partiten Verwendung. Die eigene Eberle-Geige von 1750 spielt Zehetmair in den Sonaten samt der Klarheit ihrer Fugen: „Diese Polyphonie, die ausbalancierte Harmonie dieser Musik, sie hat mich wieder von Neuem gepackt.“
ECM/Universal
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