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(c) Peter Adamik
Für das Marketing braucht es heute einen klaren Claim, etwas Spezifisches, um eine Geschichte erzählen zu können – und das ist bei mir eben Beethoven.“ Eine ebenso nüchterne wie treffende Selbstanalyse, die Jan Caeyers da formuliert – ohne dass der Dirigent und Musikwissenschaftler diese PR-Gesetze deshalb nun goutieren würde. Doch spätestens seit der Belgier 2009 seine über 800 Seiten starke Beethoven- Biografie „Der einsame Revolutionär“ veröffentlicht hat, gilt der einstige Assistent Claudio Abbados als ausgewiesener Beethoven-Experte. Und hat diese „Beschränkung“ in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen auch akzeptiert, trotzdem er früher etwa auch zahlreiche zeitgenössische Werke dirigiert habe: „Ich finde es kein schlimmes Schicksal, viel Beethoven und Wiener Klassik machen zu können“, meint Caeyers lachend. „Das ist solch eine reiche Welt – da wird man nie fertig.“
Zumal diese Konzentration zweifellos einen Vorteil mit sich bringe: „Wenn ich mich intensiv mit einem Komponisten und seinem Werk beschäftige, komme ich näher an die Wahrheit der Musik, denn ich glaube nicht, dass sich alle Musik von Bach bis Schostakowitsch mit ein- und demselben Schlüssel erschließen lässt.“ Umso mehr, wenn es sich um ein Meisterwerk wie Beethovens „Missa solemnis“ handelt, der sich der Löwener Professor nun bei seinen Deutschland-Konzerten widmet: eine fünfsätzige Messe, die der Meister selbst für „mein größtes Werk“ hielt, mit rund 80 Minuten jenseits üblicher Gottesdienstbegleitungen und für den Belgier die Geburt „neuer Musik aus dem Nichts“. Anders als etwa in der Instrumentalmusik habe es nämlich auf dem Gebiet der Messkomposition bis dahin kaum eine Entwicklung gegeben, nicht zuletzt durch „den feststehenden Text und die liturgischen Beschränkungen: Hier nun solch einen großen Schritt weiterzugehen, dafür hat Beethoven viel Mut und Fantasie gebraucht“. Zumal für den letzten Satz, das „Agnus Dei“ mit seinem strahlenden Friedensgebet „Dona nobis pacem“, wo er aus wenigen Worten „ein langes Exposé über den Frieden“ gestaltet habe – und damit zugleich eine Lösung für „das schwierigste Problem der Komponisten des 19. Jahrhunderts fand“: eben dieses Finale proportional stimmig zu den vier vorigen Sätzen anzulegen.
Gedanken, die der Musikhistoriker auch seinem 2010 gegründeten Projekt-Ensemble „Le Concert Olympique“ immer wieder vermittelt, mit dem er Ende November das Meisterwerk in Antwerpen, Berlin und Baden-Baden aufführen wird. „Die Musiker müssen das Gefühl haben und wissen, woher die Musik kommt und wohin sie geht“ – und das sei mit solch einem auf Beethoven spezialisierten Orchester eben weit besser möglich als mit einem Klangkörper, der alles spiele. „Eine ‚Missa solemnis‘ bekommt man nicht geschenkt“, stellt Caeyers trocken fest, „deren Interpretation gelingt nur, wenn man viel Zeit damit verbringt. Will ich Exzellenz und Exklusivität erreichen, braucht es einfach Beschränkung.“ Ganz gleich, was Marketing und Öffentlichkeit dann aus solch einer Fokussierung machen.
Christoph Forsthoff, 10.11.2018, RONDO Ausgabe 5 / 2018
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