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Da sage noch einer, dass Neue Musik schwer verdaulich ist – von wegen. Mit Baguette, Käse und Wein lässt sich genüsslich und entspannt über all das plaudern, was sich einem nach allererstem Hören vielleicht nicht direkt erschlossen hat. Und wo hat man schon die Gelegenheit, nach dem Konzert in geselliger Runde noch den Komponisten zu seinem gerade aufgeführten Stück zu löchern. Die Neugier wecken und Berührungsängste vor scheinbar allzu Sperrigem abbauen – das hatten sich die drei Musikerinnen des Boulanger Trios auf die Fahnen geschrieben, als sie 2012 eine besondere Konzertreihe ins Leben riefen. In Anlehnung an einen Musiksalon, den ihre berühmte Namenspatronin, die französische Komponistin und Lehrerin Nadia Boulanger, ab den 1920er Jahren in Paris jeden Mittwoch veranstaltete, gründete das Hamburger Klaviertrio die „Boulangerie“ (frz. Bäckerei). „Wir hatten ein geselliges Konzertformat im Sinn, bei dem es gerade durch die persönliche Begegnung mit einem Komponisten auch zu einem lebendigen Austausch mit dem Publikum kommen soll“, so die Cellistin Ilona Kindt. Schon im Konzert unterhalten sich die Musikerinnen mit dem Komponisten auch über sein mitgebrachtes Stück. Anschließend trifft man sich mit dem Publikum zu einem gemütlichen Ausklang.
Dass dem Boulanger Trio gerade die zeitgenössische Musik so am Herzen liegt, hatte sich aber schon früh angedeutet. So spielte man vor zwölf Jahren beim allerersten Konzert ein Klaviertrio von Wolfgang Rihm – worauf er dem damals aufstrebenden Trio ein exklusives Empfehlungsschreiben ausstellte: „So interpretiert zu werden, ist wohl für jeden Komponisten ein Wunschtraum.“ Seitdem gehört die jüngere und jüngste Moderne mit ihren Facetten zur Domäne des Boulanger Trios. Und auch über die „Boulangerie“ haben sich längst Freundschaften zu namhaftesten Komponisten entwickelt. Den Japaner Toshio Hosokawa hat man ebenso schon mehrmals für diese Reihe einladen können wie Johannes Maria Staud. Außerdem waren die Finnin Kaija Saariaho, der Schweizer Michael Jarrell sowie der österreichische Altmeister Friedrich Cerha zu Gast.
Bespielte man in den ersten Jahren mit der „Boulangerie“ ausschließlich Hamburg und Berlin, so ist inzwischen Wien hinzugekommen. Hier ist zugleich die Publikumsresonanz am größten, wie Ilona Kindt bestätigt. Kommen pro Konzert in Hamburg oder Berlin rund 100 Besucher, so sind es in Wien doppelt so viele. Wohl ab 2019 wird man in diesem Konzertrahmen dann auch die Gewinner eines Kompositionswettbewerbs präsentieren können, den die Wiener Alban Berg Stiftung nun in Kooperation mit dem Boulanger Trio ausgeschrieben hat.
Doch all das ist noch Zukunftsmusik. Greifbar liegen hingegen ab Januar 2018 die anstehenden Begegnungen in der „Klangbäckerei“: So haben Beat Furrer, Pēteris Vasks, Jorge E. López und Olga Neuwirth nicht nur ihr Kommen bereits zugesagt, sondern auch ihre Auswahl eines klassischen Kammermusikwerks getroffen, mit dem jedes Mal eine Brücke von der Tradition zur Moderne geschlagen wird. Furrer hat sich für ein Schubert-Trio entschieden. Und auf Wunsch von Vasks verbündet sich das Boulanger Trio für Messiaens bewegendes „Quatuor pour la fin du temps“ mit dem Klarinettisten Sebastian Manz.
boulangertrio.de
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