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Jiří Bělohlávek † (c) Tschechische Philharmonie Prag
Bedrohlich dunkel steigt Antonín Dvořáks „Stabat Mater“ aus dem Nichts hervor und tastet sich in die Welt hinein. Bevor durch das Orchester eine beklemmende Dämonie zieht, die schon fast Mussorgski´sche Monumentalität erlangt. Und wenn schließlich der Chor im „Stabat Mater dolorosa“ eigentlich nur noch ein einziges Flehen ist, sorgen zumindest die Vokalsolisten immer wieder für seligmachende, trostspendende Klanginseln. Knapp 20 Minuten dauert dieses musikalische Drama auf einer Neueinspielung, die man nach einem Monat ihrer Veröffentlichung jetzt mit ganz anderen Ohren hört. Denn das bei Decca erschienende „Stabat Mater“ dürfte wohl das letzte Tondokument von Dirigent Jiří Bělohlávek sein. Im Alter von 71 Jahren ist der tschechische Meisterdirigent am 1. Juni gestorben. Dass er schwer erkrankt war, konnte man dem Musiker bei seinen letzten Auftritten zwar ansehen. Bei den Aufnahmen von Dvořáks „Stabat Mater“ war er musikalisch hingegen in absoluter Topform. Nichts scheint daher beim erneuten Hören auf Bělohláveks Leidensweg hinzuweisen. Vielmehr kann man immer wieder nur bestaunen, wie er bei einem seiner Komponistenlieblinge auch das volksmusikalisch-böhmische Idiom einmal mehr aus vollem Herzen auskostete.
Mit diesem Werk hat sich nunmehr der Weg eines Musikers geschlossen, der es sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht hatte, sich dem musikalischen Erbe seiner Heimat zu widmen. Egal mit welchem Orchester er fest oder als Gast zusammenarbeitete – ein Konzert ohne ein Werk etwa von Bohuslav Martinů oder Leoš Janáček war fast undenkbar. Und schon als Jugendlicher, in einem Prager Kinderchor war er erstmals eben mit Dvořáks „Stabat Mater“ in Berührung gekommen. Wer die Musik der böhmisch-mährischen Tradition derart verinnerlicht hatte wie er, der musste schnell als Instanz für dieses Repertoire gelten. Umso größer war daher die Enttäuschung für den gebürtigen Prager und einstigen Celibidache-Assistenten, als er Anfang der 1990er Jahre ausgerechnet von der Tschechischen Philharmonie aus dem Chefdirigenten-Amt verdrängt wurde. Nachdem er noch 1990 zum Nachfolger des legendären Václav Neumann gewählt worden war, tauschte das Orchester ihn schon ein Jahr später gegen Gerd Albrecht aus. Seinen Tatendrang sollte das aber keinesfalls bremsen. Bělohlávek gründete daraufhin die Prager Kammerphilharmonie. Und 1995 begann er zunächst als Gastdirigent eine intensive Zusammenarbeit mit dem englischen BBC Symphony Orchestra. 2012 kam es sodann zur Versöhnung zwischen ihm und der Tschechischen Philharmonie. Und erst Anfang 2017 hatte Jiří Bělohlávek seinen Chefdirigenten-Vertrag um sechs weitere Jahre verlängert. Zum Tod des Dirigenten hat der Direktor der Tschechischen Philharmonie, David Mareček, folgende Worte gefunden: „Seine Rückkehr auf den Posten des Chefdirigenten im Jahr 2012 war für das Orchester wie das Wasser des Lebens. Und vor allem hat er dem Orchester ein neues inneres Leben verliehen, den Stolz darauf, die Tschechische Philharmonie zu sein. Die Konzertbesucher konnten hören, dass dem Orchester ein neuer Weg gewiesen und ein neuer Impuls gegeben wurde, mit Vergnügen zu spielen.“ Genau das hört man jetzt auch Antonín Dvořáks „Stabat Mater“ an.
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