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Szymborska sei ein „Mozart der Poesie“, lobte sie 1996 das Nobelpreis-Komitee. Sie beobachtete scheinbar Alltägliches, doch die Art, wie sie diese Bilder zusammenfügte, riss sie aus dem Vertrauten, verlieh ihnen neuen Sinn, machte sie zu Symbolen für Tieferes. Dasselbe gilt für das New York Quartet des Trompeters Tomasz Stanko. In dessen offenem, kommunikativem Spiel gibt es keine festgeklopften Aussagen. Ihre unterschiedliche Herkunft macht die Mitglieder zu Individualisten. Der Pianist David Virelles wurde in Kuba ausgebildet. „Kuba, das ist die russische Schule des Romantizismus“, skizziert Stanko. „Dazu kommen Davids Jazzwurzeln. Und die kubanischen Rhythmen.“ Den Bassisten Thomas Morgan lobt er als „Typ, der alles über die Tradition des Jazz weiß – und extrem einzigartig spielt“, und am Schlagzeuger Gerald Cleaver schätzt er, dass sich dieser „mit der europäischen Art von Rhythmen auskennt und seine afroamerikanischen Wurzeln einbringt.“
Stanko selbst stammt aus Polen. „Natürlich prägt das meine Stimmung“, sagt er und meint damit weniger, dass sich die polnische Folklore in seinem Spiel spiegle. „Ich habe mich nie ernsthaft mit Volksmusik befasst. Aber das Licht diktiert auf eine gewisse Art meinen Ausdruck und die Ästhetik. Wir haben in Polen unser graues Licht – und daraus resultiert eine gewisse Melancholie.“ New York hingegen steht für „strahlende, sonnige Tage.“
Aus dieser Konstellation entstehen Reibungen, die mit europäischen Musikern kaum möglich wären, betont er. Zu den Aufnahmesessions hatte er Themen beigesteuert, die er zur musikalischen Umrahmung einer Lesung von Wisława Szymborska entwickelt hatte. „Mit einem enormen Flow wurde daraus eine neue transkulturelle Musik.“
An die Gedichte Szymborskas dachten sie währenddessen nicht mehr. Die kamen Stanko und dem Produzenten Manfred Eicher erst wieder in den Sinn, als sie die Titelfolge der Aufnahmen festlegten. „Wisława“, erinnert er sich an gemeinsame Auftritte und eine polnische Plattenproduktion, „war schon über 85 Jahre alt, und sie wirkte sehr, sehr jung. Und frisch. Und sie war voll Kreativität.“ Dies sollte das Album spiegeln. Sie war eine großartige Frau, und ich wollte ihr einfach etwas widmen.“ Gehört hat es die Wortkünstlerin nicht mehr. Sie ist am 1. Februar 2012 gestorben.
Werner Stiefele, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 3 / 2013
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