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Das habe ich ja noch gar nicht gesehen ... das ist ja ein ganzes Buch … Oh my God!“
Eher amüsiert als wirklich schockiert beugt sich Janine Jansen über die aufwändige Promobroschüre, in der sie auf zehn ganzseitigen Hochglanzfotos in drei verschiedenen Outfits zu sehen ist. So schlimm ist das ja auch nicht – denn ein bisschen eitel ist die 28-jährige Geigerin schon, wie sie zugibt. Jedenfalls seien es auch die „hübschen Kleidchen der anderen Mädchen aus der Geigenklasse“ gewesen, die sie als Kind in den Wunsch der Eltern einstimmen ließen, Geige zu lernen. Wo sie doch eigentlich wie ihr bewunderter großer Bruder hatte Cello spielen wollen.
Falsch war die Entscheidung wohl kaum: Schließlich hat die 28-jährige holländische Geigerin am Abend zuvor erfolgreich den Hut in den Ring der großen Nachwuchsgeigerinnen geworfen. Im Amsterdamer Concertgebouw stellte sie ihre Interpretation von Bruchs und Mendelssohns Violinkonzerten vor. Zusammen mit Bruchs Romanze F-Dur für Viola und Orchester bilden sie auch das Programm ihrer neuen CD.
Die Vorbereitung auf die beiden großen Konzerte mag für Jansen gar nicht einmal die größte persönliche Herausforderung an dem Projekt gewesen sein. Sondern die Auseinandersetzung mit der Bruchromanze, für die Jansen ja zur Viola griff. Ein Experiment, an dem letztlich auch ihr Freund, der Geiger Julian Rachlin, schuld sei, erzählt Jansen: „Er meinte, sei nicht faul und spiel Bratsche.“ Faul? Nun, erklärt Jansen, anders als Rachlin sehe sie die Viola nicht als ihr zweites Soloinstrument; Bratsche spiele sie gewöhnlich nur bei Kammermusik. „Wenn wir Mozarts Sinfonia Concertante machen, spiele ich die Geige und er die Bratsche“, sagt sie. Und fügt mit gespieltem Dünkel hinzu: „Und das soll auch so bleiben.“ Aber die Romanze sollte unbedingt mit auf die CD: „Auch“, sagt sie, „um wenigstens ein winziges bisschen Ungewöhnliches zum Programm dazu zu tun.“ Und ist es nicht auch eine Hommage an den Freund? „Na ja, vielleicht“, lacht sie abwehrend, „aber nur eine sehr versteckte.“ In jedem Fall sei es aufregend gewesen, lenkt Jansen ab, „vor dieser ganzen Violagruppe zu stehen und sich zu fühlen, wie ich mich wahrscheinlich gefühlt habe, als ich das erste Mal im Leben ein Violinkonzert gespielt habe.“
Der Bammel vor den Bratschenkollegen verrät nicht nur den Perfektionismus der nach außen immer stets spontan und scheinbar mühelos musizierenden Geigerin. Sondern ist auch ein Zeichen für die Sensibilität, mit der Jansen ihren Partnern auf dem Podium begegnet – und dabei keinen grundsätzlichen Unterschied machen möchte, ob es sich um Kammermusik oder ein solistisches Werk handelt. Tatsächlich gibt es wenige Geigerinnen, die bei ihren Auftritten so viel kammermusikalische Intimität und Spontaneität in den Dialog mit dem Orchester zu retten wissen.
Auch wenn Jansen zugibt, dass auf ihrer Wunschliste für zukünftige Aufnahmen Rareres und Herberes wie Brittens oder Hartmanns Violinkonzerte „sowie viel Kammermusik“ stehen – mit den Konzerten von Bruch und Mendelssohn verbindet sie weit mehr als die Liebe zur Karriereplanung. Sie nehme nur Stücke auf, die zu ihrer musikalischen Biografie gehörten, meint Jansen – und mit Bruch sowie der „puren Schönheit“ von Mendelssohns Konzert ist die Geigerin buchstäblich aufgewachsen. „Es sind die Violinkonzerte, die ich am längsten kenne“, sagt sie. Denn natürlich befand sich auch in der Musikerfamilie Jansen die obligatorische Langspielplatte mit der klassischen Konzertkombination.
Wie ihre Interpretationen mit ihr reiften, kann Jansen dagegen nicht beschreiben – sie sieht sich als eher intuitive denn als analytische Musikerin. Ja, mehr Überblick habe sie gewonnen, sagt sie endlich. „Als ich hingegen kleiner war“, fügt sie hinzu und muss dabei lächeln, „da genoss ich jede Note und hatte keine Richtung.“ Etwas von dieser mädchenhaft spontanen Energie hat sich die Geigerin mit den schönen Kleidern in Ton und Auftreten auf dem geraden Weg zur Karriere dennoch bewahrt. Und auch das ist ziemlich schön.
Decca/Universal
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