harmonia mundi HMC 902212.13
(140 Min., 7/2014) 2 CDs
Mit seinem Operndebüt „Hippolyte et Aricie“ spielte Jean-Philippe Rameau 1733 gerade einmal einen Achtungserfolg ein. Seine zweite Tragédie lyrique „Castor et Pollux“ wurde dagegen zum Triumphzug für Monsieur und blieb ungeachtet aller musikästhetischen Widerstände in aller Munde. Bei einer Wiederaufnahme 1772 war der Zuschauerandrang etwa so groß, dass fünfzehn Zuschauer ohnmächtig wurden und mehrere angeblich ihren Verletzungen erlagen – diese Reaktionen hatte Rameau mit seiner 1754 erarbeiteten zweiten Fassung der Oper ausgelöst. Und bis heute ist das Herzstück dieses Meisterwerks die Trauerchor-Szene „Que tout gémisse“ geblieben, die über nur drei modulierende Basstöne mit dem Klagegesang „Tristes apprêts“ zu einer musikalisch ergreifenden Einheit verbunden wird. Dementsprechend gespannt ist man jedes Mal, wenn diese Wunderwerke der Musikgeschichte in Barock-Potpourris oder wie jetzt auf einer Gesamteinspielung auftauchen.
Mit welcher Intensität die Sopranistin Emmanuelle de Negri jetzt als Télaire all die Trauer und Verzweiflung in „Tristes apprêts“ ausmoduliert, löst schon eine kleine Gänsehaut aus (wenngleich auch weiterhin Véronique Gens mit dieser Arie unerreicht bleibt). Und ebenfalls beeindruckend, wie der französische Barockdirigent Raphaël Pichon mit dem Orchester und Chor seines Ensembles Pygmalion zuvor eine beklemmende Hochspannung erzeugt. Das Team um Pichon kennt sich unüberhörbar stilsicher mit diesem urfranzösischen Klangerbe aus. Alles kommt sehr geschmackvoll, transparent und luftig, aber eben auch mit der nötigen Seele daher. Doch selbst wenn das Vokalensemble nicht allein in den Titelrollen mit Tenor Colin Ainsworth und Bariton Florian Sempey delikate Kunst bietet, fehlt es dieser Aufnahme hier und da zumindest an jener unbedingten Erregtheit und Fulminanz, mit der Christies und Minkowskis ihren Rameau angegangen sind. Aber Pichon hat mit seinen 31 Jahren ja noch sein ganzes Rameau-Leben vor sich.
Guido Fischer, 27.06.2015
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