harmonia mundi HMU 907580
(60 Min., 9 & 10/2012, 6/2012)
Als Komponist im Zeitalter der „Postmoderne“ zu leben und zu schaffen – ein einzigartiges künstlerisches Freiheitserlebnis oder ein Fluch? Einerseits kann man mit vollen Händen aus Jahrhunderten europäisch inspirierter Kultur und dazu noch aus manch Anderem (Älterem oder Nicht-europäischem) schöpfen, sich hier und da anregen lassen, assoziieren, zitieren. Andererseits vermag man wohl kaum noch wirklich Neues, völlig Originelles zu präsentieren. Dass die Atonalität mit ihren Folgen nicht der Königsweg für das Fortkommen der Musik war, hat sich schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwiesen. Aber wie lässt sich die tonale Musik noch sinnvoll weiterentwickeln und ausdifferenzieren?
Vielleicht muss man Amerikaner sein, um sich von solchen Problemen nicht allzu sehr ankratzen zu lassen. Um a-Cappella-Chormusik zu verfassen, die nicht deshalb wenig aufregend ist, weil ihre Harmonik einer letztlich romantischen Tonalität verpflichtet ist, sondern weil mit exakt denselben Bordun-, Cluster-, Sphärenklang- und vokalen Perkussionseffekten auch schon vor zwanzig, dreißig und mehr Jahren komponiert wurde. Wenig aufregend gleiten die „Nine Songs“ von Kevin Puts „To Touch The Sky“ dahin – hübsche, aber harmlose Klangwelten, die anheben und schier endlos strömen, ohne erkennbar irgendwo hin zu wollen. Nicht viel anders verhält es sich mit der Instrumentalmusik dieses Programms: Die Sinfonie Nr. 4, ein Auftragswerk für das „Cabrillo Festival of Contemporary Music“, will das kreative Aufeinanderprallen indianischer und mönchisch-missionarischer Musikkultur thematisieren, wie es sich vor langer Zeit wohl vor Ort ereignet hat. Aber auch dieses Werk ist an Harmlosigkeit schwer zu überbieten: kein Konfliktpotential, keinerlei dramatische Entwicklung – gut gemachte Stimmungsmusik allenfalls.
Michael Wersin, 15.02.2014
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