Soli Deo Gloria/harmonia mundi SDG 703
(73 Min., 11/2007) 1 CD, live
Auf den ersten Blick scheint Brahms’ zweite Sinfonie dem klassischen Ansatz entgegenzukommen, den John Eliot Gardiner in seiner im Entstehen begriffenen Gesamtaufnahme verficht: Verbreitert doch das großflächige Legato herkömmlicher Aufnahmen den lyrischen Grundton der ersten drei Sätze in beschauliche Stagnation – Sir Johns durchgängig spürbares Bemühen um Durchsichtigkeit und Formdeutlichkeit rückt dagegen den labilen Gleichgewichtszustand des Werks zwischen resignativer Weltabkehr und dem erfüllten melodischen Augenblick in den Vordergrund. Statt auf orchestrale Fülle setzt Gardiner auf Dialog, statt großer Linien dominieren kleinräumige Spannungsverhältnisse: Jede Phrase hat eine Antwort, der vorantreibende Impuls der Sätze entwickelt sich nicht aus einer aufgebauschten Artikulation, sondern aus einem quasi organischen Reagieren der Stimmen aufeinander. Nie klingt dieser Brahms dick oder gar speckig, weil die Streicher keinen emotionalen Vibrato-Überdruck aufbauen müssen, der sie über lange Bindebögen trägt. Dabei sind Gardiners Tempi gar nicht einmal besonders außergewöhnlich – selbst den befreienden Überschwang des Finales geht er vergleichsweise entspannt an und lässt die Musik swingen, statt sie als ekstatisch-rasante Bravournummer abschnurren zu lassen.
Die Kopplung mit Chorwerken, darunter einer markanten Interpretation der Alt-Rhapsodie mit der fabelhaften Nathalie Stutzmann (endlich mal wieder ein echter Alt!) ist wiederum nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal der Einspielung, sondern bereitet auch stimmig auf den rhetorischen Gestus von Gardiners Brahms-Bild vor.
Jörg Königsdorf, 07.05.2009
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