Neos/Codaex NEOS 10720
(61 Min., 4 u. 5/2007) 1 CD
Nicht genau zu wissen, woran man ist, kann eine prima Sache sein, fand John Cage, und dachte sich drum immer wieder neue Verfahren aus, Musik so vielfältig und unvorhersehbar zu machen wie die Welt, die sie umgibt. Erfindungsreich, wie er war, entwickelte der 1992 verstorbene US-Amerikaner im Alter sogar Verfahren, bereits existierende Musik so zu verändern, dass sie von ihrem angestammten historischen Platz abhebt und frei und fröhlich hin und her schwebt. Was am Ende so wunderbar beiläufig klingt, verdankt sich freilich harter, systematischer Arbeit – ganz besonders im vorliegenden Fall: Lange hat Cage anno 1976 an seinem Vorhaben experimentiert, aus Anlass der 200-Jahr-Feierlichkeiten der USA amerikanische Choräle und Hymnen mit Hilfe des Zufalls zu dekonstruieren. Zwar war ihm das chinesische Orakelbuch I Ging wie so oft eine wichtige Hilfe, doch er musste dem Orakel halt erst einmal die richtigen Fragen stellen: Welcher Ton des Originalwerks soll verändert werden, welcher beibehalten und für wie lange, welches von jeweils maximal vier Instrumenten soll ihn dann spielen, auf welche Töne kann man ganz verzichten?
Das Resultat hat die Mühe gelohnt: In der musikalisch soliden, klanglich sogar überragenden Einspielung der acht Quartette durch das Orchester Jakobsplatz München unter Daniel Grossmann begegnet uns eine sorgsam skelettierte und dennoch quicklebendige Musik. Durch den kompositorischen Eingriff aller geschichtlichen Verpflichtungen entbunden, lenkt jeder einzelne Klang alle Aufmerksamkeit auf sich selbst – und auf das geheime Band, das ihn bei aller Einmaligkeit mit jedem nächsten Klang verbindet.
Raoul Mörchen, 20.02.2009
Diese CD können Sie kaufen bei:
Als JPC- und Amazon-Partner verdienen wir an qualifizierten Verkäufen
Für diese Rezension gibt es noch keine Kommentare.
Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion
An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.
Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.
Nach seiner viel beachteten Aufnahme der 7. Sinfonie setzen François-Xavier Roth und das Gürzenich-Orchester Köln ihre Bruckner-Gesamteinspielung fort. Die „Romantische“, wie Anton Bruckner seine vierte Sinfonie selbst betitelt, komponierte er 1874 inmitten einer Zeit persönlicher Niederlagen. Und er zweifelt sofort an seinem Werk, bezeichnet manche Stellen als „unspielbar“ und findet die Instrumentation „hie und da überladen und zu unruhig“. Erst Jahre später, nach […] mehr