Erst Jahrzehnte nach seinem Tod veröffentlicht, sind die zwölf Polonaisen in verschiedenen Tonarten das bedeutendste Klavierwerk Wilhelm Friedemann Bachs. Stärker noch als seine Sonaten steht dieser Zyklus für die stilistische Übergangsstellung des ältesten Bachsohns zwischen den polyfonen Klavierwerken des Vaters und den Sturm-und-Drang-Stücken seines Bruders Carl Philipp. Ist in der unabhängigen Stimmführung beider Hände noch der Einfluss des Vaters präsent, deutet die schweifende Empfindsamkeit beispielsweise im es-Moll-Stück schon auf die späten Sammlungen "Für Kenner und Liebhaber" des Bruders voraus. Tanzbare Polonaisen mit durchgängig präsentem Rhythmus schrieb Friedemann ohnehin nicht, sondern eher eine Folge von intimen Charakterstücken verschiedenster Stimmungslagen im damals neuen "galanten" Stil. In jedem Fall allerdings gehören die Polonaisen zu den bedeutenden deutschen Klavierwerken des 18. Jahrhunderts. In seiner Einspielung der Polonaisen (und der frühen D-Dur-Sonate), mit der Naxos die erste Gesamteinspielung von Wilhelm Friedemanns Klavierwerk beginnt, benutzt Robert Hill die Rekonstruktion eines Florentiner Fortepianos der 1720er Jahre, das in seinem hellen, fein nuancierten Klang den frühen Silbermann-Fortepiani ähneln dürfte, die im Hause Bach standen. Ein Instrument, auf dem (im Gegensatz zum Clavichord) nicht nur die introvertierten, sondern auch die brillanteren Stücke (etwa das in D-Dur) schön zur Geltung kommen. Und mit Hill hat der Zyklus einen feinsinnigen Interpreten gefunden, der seine Stimmungsvielfalt mit unforcierter Lebendigkeit zur Geltung bringt.
Jörg Königsdorf, 18.01.2008
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