Juxtapositions/Naxos DVD9DS17
(90 Min., 2004) 1 DVD
Am Titel mag man sich noch stoßen. Labyrinthisch ist schließlich weder die Zeit in Elliott Carters Musik – sie ist bloß vielschichtig und komplex – noch Carters Lebenszeit selbst. Ganz im Gegenteil: Seitdem der 1908 geborene Amerikaner vor beinahe sechs Jahrzehnten mit seinem ersten Streichquartett zu einer eigenen Schreibweise fand, ist er dieser Schreibweise auffallend treu geblieben. Carters charakteristische Synthese aus einer differenzierten, oft mehrfach überlagerten Rhythmik und einer hoch-chromatischen Harmonik, die oft als Synthese der beiden Gegenpole Strawinsky und Schönberg interpretiert wurde, ist in der Ausarbeitung manchem Wandel unterworfen gewesen, aber ansonsten eine der wenigen verlässlichen Größen in der Neuen Musik der Nachkriegszeit. Von diesem kleinen Einwand aber abgesehen, verdient der Porträtfilm Frank Scheffers gleich eimerweise mit Lob überschüttet zu werden. Wenige Regisseure haben für zeitgenössische Musik und ihre prominentesten Autoren eine so souveräne Darstellung gefunden wie der gebürtige Niederländer Scheffer in seinem zu recht mehrfach ausgezeichneten Meisterwerk "A Labyrinth of Time". Scheffer tut zunächst, was die Kollegen auch tun: Er hört und schaut zu, lässt seinen Protagonisten, aber auch viele Weggefährten das schwierige Wort über die Musik ergreifen, und er stöbert in den Archiven. Er zeigt die Welt, die Carter erlebte und erlebt, und darin hat sich manches ereignet: zwei Weltkriege, der 11. September (gewissermaßen direkt von Carters Haustür), der Aufstieg der Moderne, der Zerfall alter Werte und die Entstehung einiger neuer. Doch Scheffer reproduziert und bebildert nicht nur Sprache, er entwickelt eigene, zuweilen ausgesprochen starke Metaphern für das, was er in Carter sieht: einen Vermittler zwischen Europa und Amerika, zwischen den Generationen, zwischen Tradition und Forschritt, Vergangenheit und Gegenwart. Und einen Wegweiser in die Zukunft: Wenn Scheffer in Begleitung Carters oder auch ganz allein mit seiner Kamera über die Brooklyn-Bridge streift und von dort mit großer Ruhe die Skyline von Manhattan abtastet, zeigt er nicht bloß die gegenwärtige Heimat seines Komponisten, sondern vermittelt eine Ahnung vom Wesen einer neuen Welt, in der sich nur eine starke Kunst wird behaupten können.
Raoul Mörchen, 07.04.2007
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