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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schmidt

Das Buch mit sieben Siegeln

Eberhard Büchner, Robert Holl, Gabriele Fontana, Kurt Azesberger u.a., Wiener Singverein, Wiener Symphoniker, Horst Stein

Profil/Naxos DCD PH05029
(113 Min., 5/1996) 2 CDs

Franz Schmidts Apokalypsen-Oratorium "Das Buch mit sieben Siegeln" – bei uns immer noch nicht allzu bekannt, in Österreich einerseits eine Art "Nationalheiligtum", andererseits auch seit Jahrzehnten Stein des Anstoßes für kritischere Geister: Der 1939 verstorbene Schmidt hatte sich, schon krank und hinfällig, noch im Todesjahr dazu überreden lassen, eine Hitlerkantate in ganz ähnlichem Stil wie das im Juni 1938 uraufgeführte "Buch" zu komponieren. Ein schlimmer, peinlicher Fehler, fürwahr – sehr fraglich nur, ob er (wie immer wieder einmal angenommen wurde) Rückschlüsse zulässt auf den Geist des "Buches mit sieben Siegeln". Ein anderes Problem: Unverbesserliche Fortschrittsbeschwörer stoßen sich daran, das Schmidt 1938 immer noch tonal komponierte; dass er freilich einen harmonisch überaus reichen und raffinierten Personalstil entwickelt hat, der sich schon nach wenigen Takten als "eindeutig Schmidt" offenbart, lassen die Kritiker ebenso außer Acht wie den Umstand, dass gerade im "Buch" der ausgesprochen differenzierte Einsatz der traditionell basierten musikalischen Mitteln den vertonten Text auf ungeheuer plastische und eindringliche Weise zur Geltung bringt. Kurz gesagt: Hat man das "Buch" einmal liebgewonnen, kann es zur Droge werden – allerdings eher in einer anderen Einspielung als der vorliegenden: Der Autor dieser Zeilen empfiehlt, sich mit den Aufnahmen von Welser-Möst und Harnoncourt dem Werk zu nähern. Bei Welser-Möst ist u. a. die zwar kurze, aber wichtige und eindrückliche Partie der Stimme des Herrn unübertrefflich monumental und bewegend mit René Pape besetzt – Robert Holl kann in der vorliegenden Produktion dieses Niveau nicht annähernd erreichen. Bei Harnoncourt dagegen brilliert Kurt Streit als Johannes durch größere Stimmschönheit und noch eindringlichere Textvermittlung als Eberhard Büchner in Steins Aufnahme. In beiden Alternativ-Einspielungen agieren zudem die vier übrigen, meist im Quartett eingesetzten Solisten homogener. Schwer zu übertreffen sind im übrigen Präzision und Präsenz des Bayerischen Rundfunkchors und des Symphonieorchesters des BR in Welser-Mösts Einspielung, was u. a. im Vergleich schwieriger Chor-Passagen wie "Tötet, erwürget, erschlaget den Feind!" deutlich wird. Die ideale Aufnahme eines so komplexen und schwierigen Werks, das sei konstatiert,kann es kaum geben; aber die genannten Alternativen erweisen sich unterm Strich als im Großen und Ganzen besser gelungen als die vorliegende.

Michael Wersin, 01.09.2007


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