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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Power Source

Ryan Kisor

Criss Cross/Harmonia Mundi Helikon 1196
(54 Min., 6/1999) 1 CD

Als die Nachwuchsjazzer Anfang der neunziger Jahre zu "Young Lions" ernannt wurden, obwohl sie damals noch zahm bliesen, war der Trompeter Ryan Kisor zu jung, um dazu zu gehören. Doch er hat aufgeholt - und Biss. 1994, da war er einundzwanzig, berief ihn Wynton Marsalis ins Lincoln Center Jazz Orchestra, und inzwischen erspielte Kisor sich einen festen Platz in der Oberliga seines Instruments.
Auf das erstklassige Album "Point Of Arrival" (Criss Cross Jazz 1180) folgt mit "Power Source" erneut ein packendes Hard-Bop-Album. Kisor verzichtet diesmal auf einen Pianisten und vertraut voll auf die Präsenz des Bassisten James Genus und des Schlagzeugers Gene Jackson. Da sich Ryan Kisor und der Tenorsaxofonist Chris Potter in bester Hard-Bop-Tradition auf die Soli konzentrieren, sind nur die Einleitungs- und Schlusspassagen für Quartett arrangiert. In den Trio-Passagen nutzen beide Bläser die Freiheit, die ihnen der Verzicht auf das Tasteninstrument einräumt, für ausgiebige, stets mit dem Ausgangsthema korrespondierende Improvisationen.
Unter die Haut geht das einfühlsame Obligato, das Chris Potter bei "Duke Ellington’s Sound Of Love" zu Ryan Kisors sanfter Einleitung bläst, bevor dieser zu einem berührenden Solo ausholt. Großartig auch, wie sich aus dem rasanten Dialog der Bläser in der Einleitung zu Mingus’ "Boogie Stop Shuffle" Ryan Kisors impulsives Solo löst und Chris Potter mit ähnlicher Energie, aber völlig anderem Gestus antwortet. Mit ihrer Quartettversion von Ornette Colemans "Bird Food" fanden sie eine verblüffende Alternative zur ursprünglichen, etwas sprunghafteren, mit der Vorläufigkeit kokettierenden Aufnahme des Quartetts von Ornette Coleman und Don Cherry. Hier nagte kein Zahn der Zeit am Material. Stattdessen konserviert der Mörtel der Beständigkeit, was einst durch seine scheinbare Flüchtigkeit beeindruckte.
Aber wäre überhaupt etwas anderes möglich gewesen, als die Nummer in der Kisors Quartett eigenen, impulsiv-direkten Klangwelt zu interpretieren? Es wäre naiv, würde Ryan Kisor sein handwerkliches Können aufgeben und die unbefangenere Musizierfreude des weniger perfekten, dafür umso scharmanteren Don Cherry imitieren. Dass er im Umgang mit den Klassikern eine eigene Stimme bewahrt, macht ihn interessant.

Werner Stiefele, 01.09.2007


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