Deutsche Grammophon 471 348-2
(72 Min., 5/2001, 11/2001) 1 CD
Liest man die Presseankündigung der Deutschen Grammaphon zu dieser CD, dann hört man förmlich, wie sich da eine Stimme überschlägt: In "prophetischer Voraussicht" habe die internationale Musikkritik Bryn Terfel "zum Bariton des neuen Jahrtausends" gekürt, seine Interpretation von Wotans Abschied sei eine Vorahnung von dem, "was die Musikwelt dereinst in helle Aufregung und grenzenlosen Jubel versetzen dürfte."
Nun gibt es sicher Musikfreunde, die den bedeutenden Donizetti- und Rossini-Interpreten Terfel gar nicht so gerne an die Wagnerianer verlieren würden. Doch eins ist sicher wahr: Von Bryn Terfels Wotan lohnt es sich mehr hören. Ist es die Stimme? Auch das: Hier ist ein Sänger, dessen Bariton sehnige Stärke, dunkelkörnigen Kern und Würde besitzt, ein Sänger, dem es gelingt, diese Qualitäten auch im schmeichelnden Piano seiner tragenden Höhe zu bewahren - und ein Sänger, für den Wagner und feines Piano keine Gegensätze darstellen.
Vor allem aber nähert Terfel sich seinem Wagner mit der deklamatorischen Genauigkeit eines Liedsängers: Hier wabert kein Vokal, hier gibt es keine vokale Kraftmeierei, hier stimmt jeder Konsonant. Wagner-Sänger müssen "über das Orchester hinüberkommen"; Terfel aber fügt sich ein, scheint von den Klangwogen der ungeheuer flächig wirkenden Berliner Philharmoniker getragen zu werden. Wenn Terfels Wotan begeistert, dann weniger durch seine Übermenschlichkeit, sondern dadurch, dass er etwas zu sagen hat.
Was Terfel aber nicht bietet, nicht bieten will, das ist die Hypertrophie, das Maßlose des Empfindenwollens, das Wagner im Guten wie im Bösen auszeichnet. Hier ist er sich ganz einig mit Claudio Abbado, der innig dirigiert, aber auch abgeklärt und letztlich elegant.
Mein Liebling ist dieser interessante, "menschliche" Wotan dennoch nicht: Wenn ich die Trommel rühren sollte, dann für die konventionellere, aber blutvollere Theatralität von Abbado/Terfels Holländer oder für die feierabendliche Innenschau des Fliedermonologs ihres Hans Sachs.
Carsten Niemann, 06.06.2002
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Eva Jagun stammt aus einer Kölner Musikerfamilie und lernte zunächst Geige, Flöte, Gitarre und Klavier. Ihre ersten Erfahrungen sammelte sie in diversen Chören und Bands, später studierte sie in Hamburg Musik, seit einigen Jahren lebt sie in Berlin.
Dort arbeitet sie als Sängerin wie auch als Geigerin im Studio und auf der Bühne mit einer Vielzahl von Künstlern zusammen, unter anderen mit Nina Hagen oder Dieter Hallervorden. Wichtige Impulse erhielt sie vom kanadischen Jazzbassisten […] mehr