„Thärichens Tentett" ist eines der wunderlichsten Pflänzchen, die der Humus der Berliner Jazzszene hervorgebracht hat. Angeführt von dem Komponisten und Pianisten Nicolai Thärichen spielt die mit fünf Bläsern, einer E-Gitarre, einer Stimme und Rhythmusgruppe besetzte Formation Gedichtvertonungen, die es in sich haben. Thärichen greift dabei nicht auf irgendwelche Gassenhauer der Lyrik-Geschichte zurück, sondern bewegt sich neugierig in den Seitengassen des 20. Jahrhunderts. Dort traf er unter anderem auf die Poetin Dorothy Parker und den dichtenden Psychiater Ronald D. Laing. Ihre verschrobenen Zeilen über Liebespein und stillen Wahn hat der Berliner Tonsetzer in betörende Arrangements verwandelt. Er gebietet dabei über eine breite Palette zeitgenössischer Orchestrierungstechniken, die mal an Gil Evans’ polyphone Zärtlichkeiten erinnern, mal Carla Bleys milden Trotz erkennen lassen und trotz alledem Slide-Gitarren, Funk oder Mitsing-Pop tolerieren. Man soll sich nicht von den ambitionierten Partituren täuschen lassen: Lachen ist durchaus erlaubt. Mit dem Sänger Michael Schiefel verfügt Thärichens talentiertes Tentett zudem über den biegsamsten Stimmkörper Berlins. Der Mann ist Scat-Rampensau, Countertenor und vor allem treuer androgyner Erfüllungsgehilfe der skurrilen Texte. „You will forget me" singt es aus ihm in einem der traurigsten Stücke auf „The Thin Edge". Keine Sorge. Diese Aufnahme vergisst keiner so schnell.
Josef Engels, 01.09.2007
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