Man sollte es vielleicht nicht meinen, aber Solo-Einspielungen von Jazz-Bassisten sind beileibe keine Seltenheit. Das kann man an den in den vergangenen Jahren erschienenen Alleingängen von Künstlern wie Marc Johnson, Barre Phillips oder Larry Grenadier ablesen. „bassolo“ des Münchner Henning Sieverts stellt in dieser Reihe eine gewisse Besonderheit dar. Der Jazz und seine improvisatorischen Freiheiten spielen für Sieverts sicherlich eine gewichtige Rolle, wie man auf dem Album an seinen Bearbeitungen von Standardwerken wie „Solar“, „Alone Together“, „Just Friends“ (hier „Just Friendly“ betitelt) oder dem auch mit dezentem Gesang versehenen „Saint James“ (alias „St. James Infirmary“) ablesen kann. Doch Virtuosentum um jeden Preis im altbekannten Bop-Idiom ist nicht die Sache des 1966 in Berlin geborenen Bassisten.
Viele der in der Münchner Auferstehungskirche aufgenommenen Solo-Stücke haben vielmehr den Charakter eines kammermusikalischen Experiments, bei dem Sievert gewissermaßen den Klang von Intervallen abschmeckt und mit tonalen Symmetrien und Spiegelungen arbeitet, die er mit klarer Tongestaltung gezupft oder con arco in den Sakralraum stellt. Das macht „bassolo“ zweifellos zu einer hochinteressanten Angelegenheit für die Kontrabassgemeinde, die sich auch in dem parallel zur Aufnahme erschienenen Notenheft versenken kann. Zuhörende, die mit Tieftonexkursionen eher nicht so viel anfangen können, werden die Angelegenheit möglicherweise etwas spröde finden.

Josef Engels, 24.02.2024

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