Der Zeitplan erlaubte keine Probe. Trotzdem gaben der Gitarrist Kurt Rosenwinkel und die Pianistin Geri Allen am 5. September 2012, es war beim Festival Jazz à la Villette in der Philharmonie de Paris, ein hörenswertes Konzert. Da sie angesichts der knappen Zeit keine raffinierten Arrangements einstudieren konnten, blieb an dem Abend vieles dem Zufall überlassen – aber wie sie damit umgehen, macht den Reiz des Konzertmitschnitts aus, denn er spiegelt, wie sie im Verlauf des Konzerts immer enger zusammenfanden.
Bei „A Flower Is A Lovesome Thing“ und „Embraceable You“ hatten entweder er oder sie die Richtung für eine Passage vorgegeben: Mal dichte Tontrauben, dann ausgedünnte Abschnitte und zwischendurch auch Floskeln, aus denen sich eine passende Antwort ergab. Dieses abwartende Zusammenspiel änderte sich mit Rosenbergs bluesbasiertem „Simple“, dessen Struktur es beiden erlaubte, sich auf das übliche Schema von Solist und Begleitung einzulassen. Damit schien das Eis gebrochen zu sein. Jedenfalls musizierten die beiden beim Standard „Ruby, My Dear“ und dem von Allen komponierten folgenden „Open-Handed Reach“ nun wie aus einem Guss.
Kurt Rosenwinkel und die Pianistin Geri Allen schätzten einander so sehr, dass auf den Duoabend weitere gemeinsame Auftritte und Projekte folgten. Doch beider Terminkalender waren so voll, dass sich in den fünf Jahren bis zu Geri Allens Tod am 27. Juni 2017 keine Studioaufnahmen realisieren ließen. Was möglich gewesen wäre, lässt der Konzertmitschnitt ahnen. Er ist ein einzigartiges Dokument, wie sich zwei exzellente Musiker innerhalb kürzester Zeit zu einem intimen Duo zusammenfinden können.

Werner Stiefele, 02.12.2023

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