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N° 1355
27.04. - 04.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Summer

Resonanzen

Johanna Summer

ACT/Edel 1097672AC1
(39 Min., 12/2021)

Wer klassische Werke bearbeitet, geht ein hohes Risiko ein, denn die Neufassungen müssen so viel eigenständigen Charakter besitzen, dass sie nicht wie ein fahler Abklatsch wirken. Die Pianistin Johanna Summer stellt sich diesem Risiko, indem sie Stücke von Bach, Schubert, Ligeti, Mompou, Beethoven, Ravel, Grieg, Skrjabin und Tschaikowski als Ausgangsmaterial für Improvisationen nutzt.
Tatsächlich sind neun eigenständige, neue Klavierstücke entstanden, in denen Erinnerungen an die ursprünglichen Kompositionen durchschimmern aber nie dominieren. Wenn sie Bachs Sinfonia Nr. 11 g-Moll verlangsamt, reduziert und modifiziert, als handle es sich um ein Werk von Erik Satie, bleiben doch Wendungen des Thomaskantors im Fluss der Töne erhalten. Bei Schuberts Impromptu No. 4 verzichtet sie anfangs auf die abwärts springende Wellenbewegung und mengt diese in Mittelteil und Ende, während sie bei György Ligetis „Musica ricercata No. 8“ zwar den hämmernden Gestus beibehält – allerdings in einem veränderten Tonbereich und mit eigenem Rhythmus. Sie verdüstert das Andante aus Ludwig van Beethovens „Pastorale“, lässt sich in Maurice Ravels Prélude aus „Le tombeau de couperin“ zu flirrenden Klangwolken hinreißen und verleiht Edvard Griegs „Norsk“ aus dem ersten Band der „Lyrischen Stücke“ op. 12 eine Fülle von Ornamenten. Bei „Cuna“, dem vierten Satz aus Federico Mompous „Impressiones intimas“, konzentriert sie sich auf eine kleine Bewegung, und Alexander Skrjabins Prélude op. 11/VI kommt wuchtiger als das Original daher, während sie sich von Peter Iljitsch Tschaikowskis c-Moll-Nocturne aus den „Sechs Morceaux“ op. 19 zu einer zarten, zögernden Improvisation verführen lässt.
Dank intensiver Studien der Originale besteht Johanna Summer die Herausforderung, Improvisationen und Klassik zu improvisieren. Sie schafft neue Stücke, die sich nicht – wie bei anderen Interpreten üblich – an der Ursprungskomposition entlanghangeln. Stattdessen de- und rekonstruiert sie die Originale und verlegt sie dadurch in neue Gefühls- und Ausdruckswelten. „Sie ist eine fantastische, herausragende Jazzpianistin“, lobte Igor Levit die damals 25-Jährige nach der Veröffentlichung des Vorgängeralbums „Schumann Kaleidoskop“. Die Kategorisierung als Jazzmusikerin trifft für „Resonanzen“ nicht mehr zu. Mit diesem Album gibt Johanna Summer der klassischen Musik einen Teil ihrer Wurzeln zurück, denn Bach, Beethoven & Co waren Meister der Improvisation. Ihr gelang eine wunderbare, unorthodoxe Klassik-Einspielung. Chapeau.

Werner Stiefele, 18.02.2023


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