Ende der 1950er Jahre träumten der Jazzliebhaber und Hornist der Metropolitan Opera, Gunther Schuller, sowie John Lewis, Pianist des Modern Jazz Quartet sowie weitere Mitglieder einer Jazz and Classical Music Society von einem „Third Stream“, in dem sich Jazz und Klassische Musik vereinen. Sie wären begeistert, wenn sie Pablo Helds Album „Adventures“ hören könnten, denn ihm und dem mit der Orchestrierung betrauten, im Grenzbereich von Jazz und Orchestermusik erfahrenen Niels Klein gelingt die Integration der Genres so homogen und schlüssig wie nur wenigen zuvor. Da gibt es kein Hin und Her der Besetzungen und auch keine Funktionszuweisung ans Orchester als begleitendem Faktor. Stattdessen bilden Helds 2005 gegründetes Trio, der Gitarrist Nelson Veras und das EOS Kammerorchester eine klangliche Einheit, in der Held und Veras sowie der Kontrabassist Robert Landfermann und der Schlagzeuger Jonas Burgwinkel vollständig ins Orchester integriert sind.
Völlig neu ist keines der Stücke. Andererseits hebt sie die Orchesterfassung auf eine andere, komplexere Ebene. Einige Takte der „Bernstein Fantasie“ klingen nach Jazz, andere wecken Assoziationen an Filmmusik, der Moderne des vergangenen Jahrhunderts, coolem und freiem Spiel, Südamerika, De- und Rekonstruktion, Romantik und vielerlei mehr. In „Ascent“ vermengen sich Soundsprengsel mit treibenden Rhythmen, bis Orchester, Stimme und Band auf einem Plateau Atem für den weiteren, etwas gemächlicheren Aufstieg holen. Das „Nocturne“ gewinnt nach einer Gitarreneinleitung insbesondere durch die Streicher mystische Qualitäten. Das finale „Meta“ mengt erneut transkontinentale Klangwelten zu einer intensiven Komposition zwischen Jazz und verschiedenen Formen der Orchestermusik. Helds Quartett, Niels Klein und das EOS Kammerorchester haben das musikalische Abenteuer des Negierens von Grenzen mit Bravour bewältigt.

Werner Stiefele, 24.09.2022

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