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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Ludwig van Beethoven

Klaviersonate Nr. 29 op. 106 „Hammerklaviersonate“, „Eroica-Variationen“ op. 35

Pierre-Laurent Aimard

Pentatone/Naxos PTC5186724
(67 Min., 7/2020)

Dass es Pierre-Laurent Aimard mit den unwirklichsten Großwerken der Musikgeschichte auch spielerisch leicht aufnehmen kann (bei aller intellektuellen Durchdringung, versteht sich), hat er vielfach bewiesen. Bei Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ etwa. Oder bei der „Concord“-Sonate von Charles Ives. Mit dem Kopf und den unvermindert anti-virtuos, aber eben brillant ins Laufen gebrachten Fingern hat Aimard nun Ludwig van Beethovens spätes Opus magnum, die „Hammerklaviersonate“, eingespielt und gleich noch mit den „Eroica-Variationen“ kombiniert. Auch wenn beide Werke jeweils auf eine Fuge zusteuern und vom Klaviersatz her zahllose Widerborstigkeiten aufbieten, sind sie jedoch nicht nur formal aus völlig unterschiedlichem Holz geschnitzt. Mit großer Lust auch am handfest Spannungsvollen und Frechen, an der irrwitzigen Motorik geht Aimard denn auch die Variationen an – und widmet sich zugleich dem elegischen und dem lyrischen Fließen mit einer durchweg einnehmenden Natürlichkeit. Und wenn einer selbst die verschachteltste Kontrapunktik mit Drive und Delikatesse zu entwirren versteht, dann Aimard. Wobei ihm dies eben nicht nur in den „Eroica-Variationen“ Staunen machend gelingt, sondern gleichermaßen immer wieder auch mit neobarock-beschwingtem Gestus im Finalsatz der „Hammerklaviersonate“. Dieses Allegro risoluto wird bei Aimard zudem zum Beleg, dass Beethoven hier endgültig wieder Herr über die Möglichkeiten des Klaviers geworden ist. Zu Anfang der Sonate sieht das noch ganz anders aus. Aimard nimmt das Allegro mit einer derart radikalen kalligrafischen Akzentuierung und Transparenz, dass man bisweilen den Eindruck hat, hier läge lediglich der Entwurf für ein schon bald reicher instrumentiertes, mindestens für Streichquartett gesetztes Stück vor. Nun hat Beethoven bekanntlich kurz vor der Entstehung einen brandneuen Broadwood-Flügel erhalten, der ihm ganz neue Ausdrucksradien erlaubte. Mit Aimard lässt sich hingegen vermuten, dass jetzt selbst der Sechs-Oktaven-Umfang Beethoven nicht ausreichte, um das in Töne zu setzen, was ihm vorschwebte. Das nachfolgende Scherzo suggeriert sodann keine Tiefe, sondern lediglich Schubert-Nähe. Und wenngleich sich der österreichische Seelensänger auch im riesigen Adagio sostenuto dann sogar den Platz mit dem Salon-Orpheus Chopin teilen muss, entpuppt sich diese musikalische Feier des Schlichten bei Aimard als eine eher nüchterne Veranstaltung. Eine Beethoven-CD mit zwei Seiten also.

Guido Fischer, 24.07.2021


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