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N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Joseph Haydn

Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz

Ensemble Resonanz, Riccardo Minasi

harmonia mundi HMM 902633
(64 Min., 7/2018)

Es ist ein merkwürdiges, ein bemerkenswertes Stück, das Joseph Haydn 1787 im Auftrag zweier adliger Herren aus Cádiz komponierte: eine einstündige Musik über die sieben letzten Worte Christi am Kreuz, so wie sie in den Evangelien überliefert sind, gefasst in sieben Sätze für ein sinfonisch besetztes Orchester, die von einer Introduktion und einem finalen Presto gerahmt werden. Letzteres versinnbildlicht das Erdbeben, welches laut Matthäus-Evangelium auf den Tod Christi folgte. Präsentiert wurde das Werk von den andalusischen Auftraggebern vermutlich am Karfreitag des Jahres 1787 in einer der Kirchen der am Atlantik gelegenen Stadt. Allerdings erreichte es bald europaweite Bekanntheit, und Haydn legte zwecks bequemerer Umsetzbarkeit mit einer Version für Streichquartett nach. Damit war aber die Bearbeitungsgeschichte noch nicht zu Ende: Rund zehn Jahre nach den instrumentalen Versionen präsentierte Haydn noch eine oratorische Fassung mit Choreinbau, in der dann diejenigen Christusworte, die die einzelnen Sätze inspirieren, auch tatsächlich verbal erklingen.
Hört man Riccardo Minasis Interpretation der Originalfassung für Orchester, dann vermisst man die Vokalisierung und Verbalisierung nicht: Die modernen Instrumente des Ensemble Resonanz produzieren in historisch informierter Spielweise eine solch faszinierende Fülle unterschiedlichster Klangfarben – innerhalb eines Grundspektrums von der für Alte Musik typischen Rauigkeit bis hin zu einer betörende Süße –, dass man jegliche emotionale Nuance der Christusworte auch im „gesangsfreien Raum“ vollkommen überzeugend erlebt. Es ist wahrhaft erstaunlich, wie die unterschiedlichen Instrumentenkombinationen immer wieder neue Sinnesreize evozieren. Dass es tatsächlich ein modernes Orchester ist, das ein solches Feuerwerk differenzierter Timbrierungen entfacht, hätten wir nicht für möglich gehalten.
Es muss darum nicht eigens erwähnt werden, dass die sieben aufeinanderfolgenden langsamen Sätze des Stücks – Haydn selbst war sich der dramaturgischen Herausforderung einer solchen Satzfolge bewusst – in dieser Darbietung keine Sekunde langweilig werden. Vielmehr klebt man als Hörer gleichsam an den Boxen und erwartet mit Spannung den jeweils nächsten Höhepunkt. Ein Meisterwerk – nicht nur das Stück, sondern gleichermaßen auch diese Umsetzung.

Michael Wersin, 23.03.2019


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