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N° 1355
27.04. - 03.05.2024

nächste Aktualisierung
am 04.05.2024



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Jazz At Lincoln Center Orchestra With Wynton Marsalis: Abyssinian Mass

Wynton Marsalis

Blue Engine Records/Galileo BE0005
(123 Min., 10/2013)

Evangelische und katholische Messen beginnen in aller Regel mit einem „Kyrie“, also dem „Herr, erbarme dich.“ Wynton Marsalis´ „Abyssinian Mass“ hingegen spricht die Zuhörer direkt an: Er habe keinen beten und Gott loben hören, stellt der Vorsänger fest. Damit ist klar: Die Messe wendet sich an das Publikum, fordert es zum Mitmachen, zum Mitfeiern auf. Dies spiegelt sich auch in der Musik: Marsalis komponierte kraftvollen Swing, brachte beim folgenden Lob Gottes mexikanische Mariachi-Trompeten ein und lässt den Chor in „We Are On Our Way“ mit Händeklatschen und Gospelfeuer feiern, dass die Menschen an Gott glauben.
In der „Abyssinian Mass“ wird die Gemeinde nicht belehrt. Sie führt ihren Dialog mit Gottvater – auch dies ein Unterschied zu den in Europa üblichen Messen. Dass die Musik anders ist, versteht sich ohnehin von selbst. Wynton Marsalis schrieb funkelnde, freudestrahlende Bigbandsounds, die in der Tradition von Swing, Gospel und Spiritual fußen und diese raffiniert in eine eigene, die vielschichtigen Entwicklungen im akustischen Jazz der letzten dreißig Jahre integrierende Tonsprache fortführen. Perfekt an die Texte angepasst, wechseln Ausdruck, Rhythmus, Instrumentierung und Volumen der Band.
Der Wechselgesang von Vorsängern und mehrstimmigem Chor feiert mehr als zwei Stunden die Verbindung zu Gott. Soul, Gospel, Swing, New Orleans Shuffles, dazu mexikanische und afro-kubanische Elemente, Balladenseligkeit, Hymnisches, Stilcollagen, Brüche, glatter Fluss, raffiniert gesetzte Tutti, brillante Soli mit klaren oder Growl-Klängen, introvertierte Momente, explosive Passagen: Die Messe spiegelt eine enorme emotionale und stilistische Bandbreite.
Mit diesem Meisterwerk leistet Marsalis einen grandiosen Beitrag zur bislang nur kurzen Sammlung großer sakraler Jazzkompositionen, die aus der afro-amerikanischen Tradition entstanden. Die „Sacred Concerts“ von Duke Ellington, eine Messe von Mary Lou Williams, Marsalis eigenes „In This House, On This Morning“: Viel mehr umfasst sie bisher noch nicht. Insofern war es ein Glücksfall, dass ihm 2008 die Abyssinian Church in Harlem zu ihrem zweihundertjährigen Gründungsdatum einen Kompositionsauftrag erteilte. Uraufgeführt wurde die Messe schließlich nicht in der Kirche, sondern im Lincoln Center. Dort entstanden 2013 die Aufnahmen zu der Doppel-CD, die durch eine DVD-Dokumentation zur Entstehungsgeschichte des Werks ergänzt wird. Bis das vor Lebensfreude überbordende Werk, das in den USA schon 2013 erschienen war, einen Vertrieb in Europa fand, dauerte es weitere fünf Jahre – doch nun ist es endlich im regulären Handel zugänglich.

Werner Stiefele, 19.05.2018


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